Anlässlich des 200. Geburtstages von Franz Liszt (1811–1886) am 22. Oktober 2011 zeigt die Klassik Stiftung Weimar vom 24. Juni bis zum 31. Oktober 2011 die in Kooperation mit der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar erarbeitete Landesausstellung »Franz Liszt – Ein Europäer in Weimar«. Im Mittelpunkt der über 350 Exponate umfassenden zweiteiligen Ausstellung im Schiller-Museum und im Schlossmuseum stehen die europäischen Dimensionen sowohl des Komponisten und Interpreten Liszt wie auch seiner in Weimar verwirklichten Kunstprojekte. Dabei werden Liszts Leben und Wirken und die Bedeutung Liszts für die europäische Musik- und Geistesgeschichte umfangreich dokumentiert. Kein anderer Musiker des 19. Jahrhunderts hat seit seiner frühesten Jugend in einem solch hohen Maße die Fantasie seiner Zeitgenossen beflügelt wie Franz Liszt. Er war nach heutigen Maßstäben ein Superstar des musikalischen Europa, dessen unerschöpfliche Produktivität und Präsenz eine einzigartige »Lisztomanie« auszulösen vermochten.

Liszts Bildungsreise, seine Pilgerfahrt (›Pèlerinage‹) durch Europa und die europäische Kultur, sowie seine große Syntheseleistung als Künstler bilden die thematischen Schwerpunkte des ersten Ausstellungsteils im Schiller-Museum. Ausgehend von der Kindheit in der Habsburgermonarchie spürt die Ausstellung den unterschiedlichen Stationen in Liszts Leben nach. Liszts Vater vermittelt dem begabten Sohn ein ganzheitliches Bildungsideal, das neben der Musik Lesen, Fremdsprachen und Reisen als wesentliche Elemente einer künstlerischen Entwicklung versteht. Dieses Bildungsideal wird zu einem lebenslang wirkenden Vermächtnis. Über Paris, die Schweiz und Italien führen Virtuosenreisen Liszt bis nach Weimar, dem Mittelpunkt und vorläufigen Ziel seiner Reise, wo in kaum mehr als zehn Jahren die Mehrzahl seiner Hauptwerke entsteht. Dabei ist der Weg nach Weimar zwar kein geradliniger, aber er erweist sich als Glücksfall. In kürzester Zeit erlebt Weimar nach der Ära Goethes und Schillers eine zweite Blüte der Kunst mit internationaler Ausstrahlung. Der Synthese und Verarbeitung als Ziel dieses langen Weges durch Europa ist die zweite Etage der Ausstellung im Schiller-Museum vorbehalten. Weimar ist der Ort, an dem Liszt die vielfältigen Anregungen seit seiner frühen Jugend verarbeitet und ein nach Art und Umfang unvergleichliches musikalisches Œuvre vorlegt. Den Abschluss bildet nach der römischen Phase die Rückkehr nach Weimar und das bewegte Leben zwischen den Gravitationszentren Weimar, Budapest und Rom.

In der Ausstellung werden kostbare Autographe aus dem weltweit größten Liszt-Bestand des Goethe- und Schiller-Archivs (GSA) sowie Lisztiana aus den Sammlungen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek und Museen der Klassik Stiftung Weimar präsentiert. Das Spektrum der Exponate, begleitet von Leihgaben aus dem In- und Ausland, umfasst neben persönlichen Gebrauchsgegenständen Liszts zeitgenössische Gemälde und Graphiken, Kunstgegenstände, Konzertprogramme, Briefe und Autographe seiner Kompositionen sowie Erstausgaben seiner Werke. Begleitend zur Ausstellung produzierte die Weimarer Firma 1meter60 Film im Auftrag der Klassik Stiftung an authentischen Drehorten einen Liszt-Film mit aufwendigen Spielfilmszenen.

Der Notenbestand des GSA umfasst ca. 14.000 Blatt Manuskripte von der Hand des Komponisten und seiner Sekretäre, von Liszt eigenhändig korrigierte Abschriften sowie Reinschriften und Druckvorlagen zu mehr als zwei Dritteln seines gesamten Œuvres. In unmittelbarem Zusammenhang mit dem handschriftlichen Notenbestand des Archivs steht die Liszt-Bibliothek, die heute in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek aufbewahrt wird und ca. 3.100 Titel umfasst. Den zweiten Liszt-Bestand des GSA bilden die umfangreiche Briefüberlieferung (mehr als 6.000 Briefe), verschiedene Notizbücher, Programmzettel, Konzertabrechnungen, Urkunden, Diplome – kurz: persönliche und geschäftliche Papiere aus dem Besitz Franz Liszts, seiner Schüler, aber auch der ersten Kustoden des Liszt-Museums und Liszt-Biographen. Die Datenbank des GSA zählt in dem Bestand mehr als 47.000 Blatt.

Der zweite Teil der Ausstellung im Schlossmuseum ist unter dem Motto »Kosmos Klavier« der technischen Entwicklung, der Klangästhetik und dem kulturgeschichtlichen Kontext des Klaviers der Ära Liszt gewidmet. Zum einen wird hier die Bedeutung des Klaviers und der Klaviermusik am Weimarer Hof insgesamt reflektiert, zum anderen die Entwicklung des Klavierbaus von Liszts Kindheit bis zum Ende seiner Virtuosenjahre. Für die Rolle der Klaviermusik im Salon und Konzertsaal des 19. Jahrhunderts und die Bedeutung des Instruments für das Bildungsideal der Zeit sind die Zusammenhänge von Klavierbau und Kompositionstechnik von zentraler Bedeutung. Keineswegs ist Liszt der erste Musiker von Rang, den der Weimarer Hof verpflichtet. Seit Johann Sebastian Bach, der von 1713 bis 1721 in Weimar als Hoforganist wirkte, hat man in Weimar mit Ernst Wilhelm Wolf und Johann Nepomuk Hummel wiederholt bedeutende Cembalisten und Pianisten engagiert. Anna Amalia selbst war nicht nur eine begeisterte Pianistin, sondern trat auch als Komponistin hervor. Während über die Zeit vor 1774 wenig bekannt ist, weil sowohl die Musikaliensammlung als auch die Instrumente dem verheerenden Schlossbrand zum Opfer fielen, sind einige der später erworbenen Instrumente erhalten geblieben. Welch exquisite Instrumente der Hof schon vor Liszts Wirken für Weimar angekauft hat, zeigt der Flügel des renommierten Pariser Instrumentenbauers Sébastien Erard.

Erstmals werden im Rahmen der Ausstellung die mit Unterstützung des KUR-Programms der Kulturstiftungen des Bundes und der Länder restaurierten Weimarer Instrumente zu sehen und zu hören sein. Höhepunkt dieses Ausstellungsteils ist Liszts Flügel der Marseiller Instrumentenbauer Boisselot & fils, an dem die Mehrzahl seiner Weimarer Kompositionen entsteht. Eigens für die Ausstellung hat die Klassik Stiftung einen Nachbau dieses Flügels fertigen lassen, um im Festsaal des Stadtschlosses, dem einzigen authentischen Weimarer Konzertsaal der Ära Liszt, die Situation der Hofkonzerte auch klanglich erfahrbar machen zu können. Weitere Schwerpunkte der Ausstellung bilden von Liszt gespielte Modelle der Klavierbauer Graf (Wien), Streicher (Wien) und Erard (Paris/London). Die Instrumente werden während der Ausstellung im Rahmen von Führungen regelmäßig bespielt. Die Präsentation der Flügel bildet einen besonderen Schwerpunkt der Vermittlungsarbeit. Zum »Kosmos Klavier« erscheint eine separate Publikation mit Katalogteil.

Beide Ausstellungsteile wurden von SPACE4 (Stuttgart) gestaltet.

Im Schlosshof wird Anfang Juli in einer Kooperation mit der Imaginata e.V. ein »begehbarer Flügel« errichtet, ein überdimensionaler, senkrecht stehender Konzertflügel. Er kann durch eine Öffnung betreten werden und bietet innen mit einer Liegefläche Platz für ein bis zwei Personen. Als unmittelbare Klang- und Körpererfahrung vermittelt der Flügel die unterschiedlichen Schwingungen, die beim Anschlagen verschiedener Saiten entstehen. Vor allem jungen Besuchern wird dadurch ein ungewöhnlicher Zugang zum Ausstellungsthema ermöglicht.

Neben dem Besuch der beiden Stationen der Landesausstellung erlaubt ebenfalls ein Besuch des im März 2011 wiedereröffneten Liszt-Hauses vielfältige Einblicke in Liszts Leben. Hier verbrachte der Komponist die Sommermonate zwischen 1869 und 1886. Auch die Altenburg, Liszts Weimarer Domizil von 1849 bis 1861, wird im Rahmen der Landesaustellung zu besichtigen sein.

Im Park an der Ilm steht das Eröffnungswochenende der Landesausstellung im Zeichen einer poetischen Reise mit Franz Liszt. Gemeinsam mit der Klassik Stiftung Weimar und der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar feiert die Stadt Weimar das zweitägige Fest sinnhaft Liszt 200 und setzt dabei auf Bewegung mit Besinnlichkeit. Das Fest lädt ein, auf den Spuren des großen Europäers zu wandeln. Für den 24. und 25. Juni 2011 bietet das Fest ein ganz besonderes Programm auf den oberen Wiesen im Park in der Nähe des Liszt-Denkmals, welche eine einmalige Umgebung für die Eröffnungsfeierlichkeiten bieten. Geschaffen wird ein reizvolles Natur-Klang-Erlebnis mit ungewöhnlichen Perspektiven: Ein Ausflug der Sinne. Im Rahmen des Festes spielt Lev Vinocour an vier Terminen im Römischen Haus.

Wichtiger Werbeträger für die Landesausstellung ist ein Leitsystem im Stadtraum. Der Weg zwischen den beiden Ausstellungsorten im Schiller-Museum und Schlossmuseum wird anhand von Informations-Punkten auf dem Boden markiert. Diese Bodengrafik (Hersteller: Asphalt Art) arbeitet mit Zitaten von Liszt selbst sowie von seinen Zeitgenossen über ihn und soll Flaneure, Weimarer wie Touristen, auf die Ausstellung aufmerksam machen.

Ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Vorträgen und Führungen sowie vielfältige Angebote für Familien und Kinder, etwa Musik-Aktionen im Schlosshof und Workshops, ergänzen die Ausstellung.

Erstmals nutzt die Klassik Stiftung die Online-Anwendung Twitter, um unter http://www.twitter.com/lisztich Nachrichten über die Ereignisse des Themenjahres in Weimar zu verbreiten.

Zur Ausstellung erscheint ein umfassender Katalog.