Der internationale Ernst von Siemens Musikpreis geht 2014 an Peter Gülke. Der deutsche Musikwissenschaftler und Dirigent erhält die mit 250 000 Euro dotierte Auszeichnung für ein Leben im Dienste der Musik. Der Preis wird Peter Gülke am 24. Mai 2014 im Münchner Cuvilliés-Theater durch den Präsidenten der Bayerischen Akademie der Schönen Künste überreicht. Insgesamt vergibt die Ernst von Siemens Musikstiftung 3 Millionen Euro an Preis- und Fördergeldern.

Peter Gülke ist nicht nur ein Grenzgänger im vielfachen Wortsinn – er ist ein Weltenverbinder. Werk und Leben verschränken sich bei Gülke aufs Engste und Produktivste und der gebürtige Weimarer schafft es immer wieder Brücken zu schlagen zwischen Theorie und Praxis, zwischen seinen unterschiedlichen Berufen – stets gelebt als Berufung – des Wissenschaftlers, Dirigenten und Pädagogen und nicht zuletzt auch zwischen den musikalischen Welten in der damaligen DDR und der Bundesrepublik. „Peter Gülke überzeugt seit vielen Jahren mit großen Leistungen in der Musikwissenschaft. Das Bemühen, seine musikalische Tätigkeit wissenschaftlich zu reflektieren, überschreitet den üblichen akademischen Radius weit. Zudem war Gülke stets in der Lage, das in seinen Studien erworbene Wissen in der Lehre brillant zu vermitteln“, erklärte das Kuratorium der Ernst von Siemens Musikstiftung.

Peter Gülke wird 1934 in Weimar geboren. Beide Eltern sind Ärzte und im Elternhaus herrscht ein aufgeschlossener, freier Geist. Gülke studiert Violoncello in Weimar und Musikwissenschaft, Germanistik, Romanistik und Philosophie in Jena und Leipzig. Bereits während seines Studiums gibt er Konzerte mit Musik des Mittelalters – einer Epoche, der er sich bald auch als Wissenschaftler widmen wird. 1958 wird er mit einer Arbeit unter dem Titel Liedprinzip und Polyphonie in der Chanson des 15. Jahrhunderts promoviert, zahlreiche Publikationen folgen. Mit seinem vielbeachteten Buch Mönche, Bürger, Minnesänger(1975) macht sich Gülke über ost- und westdeutsche Grenzen hinaus einen Namen. In seinen wissenschaftlichen Werken vermag er nicht selten musikalische Kunstwerke in sprachliche zu überführen, gerät dabei jedoch nie in die Gefahr hermetischer Komplexität.

Sein umfangreiches und erfolgreiches wissenschaftliches Werk lässt Peter Gülke die Praxis nie aus den Augen verlieren. Vielmehr ist das eine ohne das andere bei ihm kaum denkbar. Interpretieren heißt bei Peter Gülke durchdenken – gleich ob in der musikalischen Praxis oder in der Theorie. Zum Vermittler dieses Denkprozesses wird Gülke immer wieder auch als Dirigent, einer Berufung, der er wie jener zum Wissenschaftler bis zum heutigen Tag folgt. Als Dirigent wirkt Gülke seit den späten 50er Jahren – zunächst in zahlreichen kleineren Städten, ab 1976 als Kapellmeister an der Staatsoper Dresden und fünf Jahre später als Generalmusikdirektor in seiner Geburtsstadt Weimar. In jenen Jahren entstehen weitere wissenschaftliche Arbeiten – unter anderem zu Beethoven (Introduktion als Widerspruch im System, Kantabilität und thematische Abhandlung, 1970) sowie Schubert (Zum Bilde des späten Schubert, Neue Beiträge zur Kenntnis des Sinfonikers Schubert, 1979). Nicht nur werden seine von kritischer Hinterfragung geprägten wissenschaftlichen Arbeiten international beachtet und im Westen nachgedruckt, auch in seiner Weimarer Chefposition wird der unangepasste Denker der DDR-Führung immer unbequemer. 1983 ist Gülke gezwungen, die DDR zu verlassen – Frau und Kind muss er dabei zunächst zurücklassen. Erst ein Jahr später können sie folgen.

In Westdeutschland wird Gülke für zehn Jahre Generalmusikdirektor in Wuppertal (1986–1996) – nebenbei legt er in jenen Jahren mit Brahms – Bruckner(1989) und Franz Schubert und seine Zeit (1991) weitere Meilensteine der Forschung vor. Zudem entsteht ein autobiografischer Band, der auf sehr persönliche Weise die Dialektik und die Grenzüberschreitungen des eigenen Lebens skizziert: Fluchtpunkt Musik. Reflexionen eines Dirigenten zwischen Ost und West (1994). Auf die zehn Jahre in Wuppertal und zahlreiche Gastspiele in Europa, Amerika und Japan folgt eine Dirigierprofessur in Freiburg, zudem unterrichtet Gülke Musikwissenschaft in Basel und Zürich. Triumph der Tonkunst (1998), ein Werk zu Mozarts letzten drei Symphonien, und Zur Sprache der Musik. Essays von Bach bis Holliger (2001) sind die zentralen Werke, die in jener Zeit als Lehrer entstehen. Nach den Freiburger Jahren wird Berlin zum neuen Lebenszentrum; hier entstehen die großen Monografien Guillaume Du Fay und die Musik des 15. Jahrhunderts (2003) sowie Robert Schumann – Glück und Elend der Romantik (2010), das seither bereits in der dritten Auflage erschienen ist. 2013 kehrte Gülke zurück in seine Heimatstadt Weimar. Er ist Präsident der Sächsischen Akademie der Künste und zudem Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz.

Preisverleihung am 24. Mai 2014 im Cuvilliés-Theater München
Der Ernst von Siemens Musikpreis wird Peter Gülke am 24. Mai 2014 im Münchner Cuvilliés-Theater bei einem musikalischen Festakt verliehen. Michael Krüger, Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, wird die hohe Auszeichnung überreichen. Zudem verleiht die Ernst von Siemens Musikstiftung drei Förderpreise an junge vielversprechende Komponisten. Die Preise werden durch den Vorsitzenden des Kuratoriums, Thomas Angyan, überreicht. Die Namen der Komponisten werden im Februar bekannt gegeben.

Die Ernst von Siemens Musikstiftung vergibt erneut 3 Millionen Euro Insgesamt vergibt die Stiftung drei Millionen Euro an Preis- und Fördergeldern. Gefördert werden 2014 weltweit rund 150 Projekte im zeitgenössischen Musikbereich. Der größte Anteil der Förderung entfällt auf Kompositionsaufträge, aber auch Festivals, Konzerte, Kinder- und Jugendprojekte sowie Publikationen werden mit Fördergeldern bedacht. 250.000 Euro entfallen auf die Dotierung des Hauptpreises und je 35.000 Euro sowie die Produktion einer Porträt-CD erhalten die Komponisten-Förderpreisträger.