Vom 1. bis 3. Juni 2023 fand die Jahreshauptversammlung des Deutschen Bühnenvereins unter dem Motto „Es geht um Kunst!“ in Koblenz statt. Dr. Carsten Brosda, Präsident des Deutschen Bühnenvereins, sagte anlässlich der Tagung: „Theater und Orchester stehen mitten in unserer Gesellschaft. Dieser Geist war bei der Jahreshauptversammlung des Deutschen Bühnenvereins zu spüren. Die Bühnen brauchen angesichts der aktuellen Krisen aber auch gesellschaftliche Unterstützung. Sie haben viel zu bieten. Sie können Erlebnisse der Zuversicht vermitteln. Sie öffnen Räume, in denen wir aus der Vielfalt unserer Gesellschaft heraus eine bessere Zukunft mit künstlerischen Mitteln denken und spielen können. Die Leidenschaft und Zuversicht, es besser zu machen als bisher, ist dafür zentral. Theater und Orchester wollen sich weiter öffnen und befragen deshalb bundesweit ihre Besucher:innen. Wir wollen bisheriges Publikum erhalten und die ganze Vielfalt unserer Gesellschaft dazugewinnen. Die gesellschaftliche Bedeutung von Theatern und Orchestern spiegelt sich auch in ihren ganz praktischen Herausforderungen wider. Themen wie Fachkräftegewinnung, Intendanzfindung, Nachhaltigkeit und Organisationskultur wurden intensiv diskutiert, weil sie den Rahmen der künftigen Arbeit entscheidend bestimmen werden.“

Katharina Binz, Ministerin für Familie, Frauen, Kultur und Integration des Landes Rheinland-Pfalz und Stellv. Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, die die Teilnehmenden vor Ort begrüßt hat, betonte: „Die Bedeutung der Theater für die Gesellschaft ist nicht zu unterschätzen. Sie sind nicht nur Orte der Unterhaltung, sondern auch starke Stimmen in sozialen, politischen und kulturellen Debatten. Sie schaffen gemeinsame Erlebnisse, die Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Meinungen zusammenbringen. Es ist wichtig, dass sie zugänglich, vielfältig und inklusiv sind, um ein breites Publikum anzusprechen.“

Eröffnet wurde die Jahreshauptversammlung in diesem Jahr durch einen Impuls von Stijn Devillé, Regisseur, Dramatiker und Intendant am Het Nieuwstedelijk, Leuven, Hasselt, Genk zur Kraft der Darstellenden Künste. „Mein Standpunkt ist, dass wir im Theater am liebsten über Dinge sprechen sollten, die heute wichtig sind. Was uns alle gemeinsam betrifft, hier und jetzt. Für mich kann es im Theater und in der Kunst im Allgemeinen nie zu sehr um die Gegenwart gehen. Oder um morgen“, sagte Devillé in seinem Vortrag.

Im Rahmen eines Workshops zum Wertebasierten Verhaltenskodex stellte Devillé außerdem das von ihm und seinem Team entwickelte „ABC – Handbuch zur Selbststeuerung“ vor. Ausgehend von seinen Thesen diskutierten die Teilnehmenden, ob der Gedanke der Selbststeuerung auch für deutsche Bühnen ein Instrument zur Implementierung gemeinsamer Werte und zur Entwicklung einer neuen, zukunftsweisenden Organisationskultur sein sollte.

Weitere Themen der Jahreshauptversammlung waren die Auswirkungen des Tarifabschlusses der Kommunen auf die Bühnen, die veränderten Anforderungen an die Beschäftigungsbedingungen für die künstlerisch Beschäftigten – und das Publikum.

Neue Verbindungen mit den Zuschauer:innen einzugehen, ist zentrale Aufgabe für die Zukunft, insbesondere in Zeiten schwieriger und sich ändernder Rahmenbedingungen. Hierzu startete der Bühnenverein im Mai das Audience-Projekt NEW ALLIANCE, das im Frühjahr 2024 durch eine bundesweite Marktstudie und Besucher:innenbefragung weitere Erkenntnisse und Strategien liefern soll. „Demokratie braucht Begegnung, und Theater und Konzerthäuser sind die Orte, an denen Begegnung stattfindet“, sagte Claudia Schmitz, Geschäftsführende Direktorin des Bühnenvereins. „Im Rahmen des Projekts beschäftigen wir uns damit, was Menschen bewegt, in ein Theater oder ein Konzerthaus zu gehen, welche Erwartungen sich mit dem Besuch verbinden und welchen Einfluss die aktuellen Krisen unserer Zeit auf das Besuchsverhalten haben. Unser Ziel ist es, bestehende Allianzen zu festigen oder zu verbessern und neue Allianzen zu schmieden.“

Im Fokus der Tagung standen auch die Zukunftsperspektiven künstlerischer Ausbildung und die Sicht der Studierenden auf die künstlerischen Prozesse. Dazu berichteten Impulsgeber:innen über die Integration von Absolvent:innen am Theater und den Übergang vom Studium ins Berufsleben. Ziel ist es, aus dem Prozess Thesen und Vorschläge für ein Arbeitspapier des Bühnenvereins zu entwickeln.

Überdies wurde das von der Intendant:innengruppe und dem dramaturgie-netzwerk entwickelte Phasenmodell zur Intendanzfindung von den Vertreter:innen der Rechtsträger diskutiert und weiterentwickelt. Leitungswechsel sind Schlüsselvorgänge für die zielgerichtete Transformation an den Bühnen. Sie sind Prozesse der Organisations- und Personalentwicklung, bei denen es neben inhaltlichen Konzepten auch um kulturpolitische und wirtschaftliche Aspekte geht. Mit dem Phasenmodell werden die Akteur:innen bei der Konzeption und Umsetzung zeitgemäßer Findungsprozesse unterstützt. Die Gruppe der Rechtsträger wird das Phasenmodell in den nächsten Monaten weiterbearbeiten, um es dann ins Präsidium zur Beschlussfassung zu bringen.

Weitere Schwerpunktthemen waren das ökologisch nachhaltigere Produzieren mit Konzepten für Wiederverwertbarkeit im Theater- und Orchesterbetrieb sowie die Digitalisierung im Kontext des Projektes Datenraum Kultur, bei dem die Chancen und Anwendungsmöglichkeiten durch den Einsatz maschinenlesbarer Spielpläne für die Bühnen diskutiert wurden. Der Datenraum Kultur ist eines von 18 Leuchtturmprojekten der Digitalstrategie der Bundesregierung. Der Deutsche Bühnenverein steuert einen der bislang vier Use Cases: „Smarte Theaterdienste".

Die Intendant:innengruppe des Deutschen Bühnenvereins verlieh im Rahmen der Jahreshauptversammlung am 2. Juni 2023 den Dr. Otto Kasten-Preis, der an junge Theaterschaffende vergeben wird. Diesmal richtete sich die Ausschreibung an Autor:innen, die sich durch enge und innovative Zusammenarbeit mit Theatern oder Regie-/Konzeptionsteams auszeichnen. Den mit 5.000 Euro dotierten Preis erhielt in diesem Jahr die Autorin Anah Filou.