In dem gestern erschienenen Artikel „Die Hälfte?“ der Wochenzeitschrift DER SPIEGEL fordern die Autoren Dieter Haselbach, Armin Klein, Pius Knüsel und Stephan Opitz eine Reduzierung der öffentlichen Kulturförderung um 50 Prozent. Der Artikel basiert auf dem am 30. März erscheinenden Buch „Der Kulturinfarkt“ derselben Autoren. Sie unterstellen der geförderten Kulturszene Konformität und Bedeutungserosion.

Dazu Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates: „Gesellschaftspolitische Werte und Ziele sowie die daraus folgende Finanzierung öffentlicher Einrichtungen und Vorhaben in Frage zu stellen ist ein normaler demokratischer Vorgang. Ein halbwegs funktionierendes Ökosystem auf Grundlage von egoistischen Gewinnsteigerungsinteressen zerstören zu wollen ist pervers. Die Autoren des SPIEGEL-Artikels offenbaren nicht nur ihre dem Elfenbein geschuldete Unkenntnis über das Kulturland Deutschland, sondern vermischen – mindestens grob fahrlässig – wenige Fakten zu einem inkonsistenten Begründungsgebäude. Zu dieser verzerrten Darstellung der Sachlage gesellen sich viel Befindlichkeit und Glaubensbekenntnisse – ein Armutszeugnis für die Kulturwissenschaft in Deutschland.
‚Kultur für alle‘ ist ein zwingendes Ziel für eine Gesellschaft, die sich auf dem Weg zu einer Wissens- und Kreativgesellschaft befindet. Ohne die Chance auf kreative Freiräume und die Möglichkeit für den Einzelnen, sich künstlerisch auszudrücken und mitzuteilen, wird das Zusammenleben in unserer Gesellschaft nicht funktionieren.
Die Amerikanisierung unseres Kulturlebens, wie es die Autoren mit ihrer ausschließlichen Nachfrageorientiertheit einfordern, wäre das Aus für die Kulturelle Vielfalt in unserem Land. Der gesellschaftliche Auftrag fordert die Balance zwischen Nachfrage wecken und Nachfrage decken. Die Chance auf kulturelle Teilhabe muss insbesondere Kindern und Jugendlichen eröffnet werden, damit sie selbstbestimmt ihren künstlerisch-kulturellen Weg finden können.
Im Gegensatz zu den wiederum nicht belegten Behauptungen der Autoren ist nicht nur ein fortlaufender Prozess der Selbsterneuerung der kulturellen Einrichtungen in Gange, sondern vor allem seit der Wende ein Raubbau kultureller Infrastruktur, der kulturelle Teilhabe bereits heute insbesondere im ländlichen Raum zur Fata Morgana werden lässt. 100.000 Schülerinnen und Schüler auf den Wartelisten der öffentlichen Musikschulen sind ein gesellschaftspolitischer Skandal.“

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