Am 28.9.2012 fand im Deutschen Bundestag eine hochkarätige Debatte zur Aufnahme von Kultur bzw. von Sport im Grundgesetz statt. In anderthalb Stunden wurde von Kultur-, Rechts- und Sportpolitikern das Für und Wider dieser Grundgesetzänderung abgewogen. Diskutiert wurden der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion "Aufnahme von Kultur und Sport in das Grundgesetz", der Antrag der Fraktion Die Linke "Kulturgut stärken – Staatsziel Kultur im Grundgesetz verankern" und der Antrag der Fraktion Die Linke "Die Förderung des Sports ist Aufgabe des Staates".

Auch wenn sich gut ein Jahr vor der Bundestagswahl der Verdacht aufdrängt, dass die SPD-Bundestagsfraktion jetzt den Antrag in den Deutschen Bundestag einbringt, wohl wissend, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht zustimmen wird, war es keine Schaufensterdebatte. Die Redner der SPD-Bundestagsfraktion (Dieter Wiefelpütz, Siegmund Ehrmann, Martin Gerster) unterstrichen, dass sie ihren Gesetzesentwurf als ein Gesprächsangebot verstanden wissen wollen. Sie zeigten Offenheit für Änderungen am Gesetzesentwurf.

Die Redner der FPD-Bundestagsfraktion (Stefan Ruppert, Reiner Deutschmann, Joachim Günther) erinnerten insbesondere an ihren Gesetzesentwurf zur Verankerung des Staatsziels Kultur im Grundgesetz in der letzten Wahlperiode und an entsprechende Parteitagsbeschlüsse der FDP, in denen die Einführung des Staatsziels Kultur befürwortet wird.

Luc Jochimsen von der Fraktion Die Linke setzte sich mit Verve für das Staatsziel Kultur ein und unterstrich, dass sie auch für gemeinsame parlamentarische Vorstöße offen ist.

Bei Bündnis 90/Die Grünen wurde die Spaltung vieler Fraktionen, in die Rechtspolitiker auf der einen und die Kultur- bzw. Sportpolitiker auf der anderen Seite deutlich. Agnes Krumwiede bekräftigte als Kulturpolitische Sprecherin die Bedeutung des Staatsziels Kultur im Grundgesetz. Demgegenüber bezweifelte der rechtspolitische Sprecher Jerzy Montag die Sinnhaftigkeit des Staatsziels Kultur. Er warnte davor Erwartungen zu wecken, die nicht erfüllt werden können.

Ähnlich gespalten scheint die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu sein. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des Innern Christoph Bergner (CDU) erinnerte daran, dass das Staatsziel Sport nicht benötigt wird, um den unzweifelhaft bedeutsamen Sport zu unterstützen. Stephan Mayer (CSU) wandte sich klar gegen das Staatsziel Kultur sowie das Staatsziel Sport. Er befürchtete eine zunehmende Verrechtlichung beider Bereiche und Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht. Demgegenüber erklärte Wolfgang Börnsen (CDU), nachdem er zunächst durch zahlreiche Beispiele belegte, dass es auf die konkrete Politik, besonders Haushaltspolitik, ankommt, klipp und klar, dass Kulturstaatsminister Neumann (CDU) und er für die Verankerung des Staatszieles Kultur im Grundgesetz sind.

Die Debatte im Deutschen Bundestag zeigte, beim Staatsziel Kultur geht es wirklich um was. Hier wird keine Verfassungslyrik betrieben. Alle Redner erklärten unisono, dass Kultur in Deutschland eine herausragende Bedeutung hat und des Schutzes und der Förderung bedarf.

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: "Kultur ist von herausragender Bedeutung für unser Gemeinwesen, für unsere Identität, für unser Bild in der Welt. Es ist sehr erfreulich, dass diese herausragende Bedeutung der Kultur für die Gesellschaft auch von den Gegnern des Staatsziels Kultur im Grundgesetz in der heutigen Bundestagsdebatte mehrfach unterstrichen wurde. Und es wurde auch deutlich, dass die Verankerung des Staatsziels Kultur im Grundgesetz eben nicht l’Art pour l’Art ist, ansonsten müsste sich nicht, wie in der Bundestagsdebatte deutlich wurde, vor Verfassungsklagen gefürchtet werden. Dass das Staatsziel Kultur kein Automatismus für eine auskömmliche Förderung des kulturellen Lebens, des kulturellen Erbes und der zeitgenössischen Künste eröffnet, versteht sich von selbst. Ein Staatsziel Kultur kann und darf die Kulturpolitik nicht ersetzen. Es unterstreicht aber, dass es nicht nur auf die natürlichen, sondern auch die geistigen Lebensgrundlagen ankommt. Die heutige Bundestagsdebatte hat das Staatsziel Kultur erneut auf die Tagesordnung der kulturpolitischen Debatten gesetzt. Die Chance, dass mittelfristig das Staatsziel Kultur seinen Weg ins Grundgesetzt finden wird, ist mit der heutigen Bundestagsdebatte deutlich gestiegen."

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