Auf Einladung der Deutschen UNESCO-Kommission haben sich am 14. Juni 2004 im Berliner Museum für Kommunikation 70 Experten aus den wichtigsten deutschen Kulturorganisationen zu einem Fachgespräch getroffen. Einziges Thema dieser Runde war die Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt, welche die UNESCO im Herbst 2005 beraten wird. Wichtigstes Ziel dieser Konvention ist die Anerkennung des Rechts aller Staaten auf eine eigenständige Kulturpolitik und des Doppelcharakters von Kulturgütern und -dienstleistungen als ’Handelsware’ und Gegenstand von Kulturpolitik. Das Fachgespräch war Auftaktveranstaltung einer bundesweiten "Koalition zur kulturellen Vielfalt".

Im Herbst 2003 hat die UNESCO auf ihrer 32. Generalkonferenz beschlossen, eine Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt auszuarbeiten. Auch die Bundesregierung setzt sich aktiv dafür ein, die Achtung der kulturellen Vielfalt möglichst bald im Völkerrecht zu verankern. Ein Ziel der Konvention ist es, die im Rahmen der Verhandlungen in der Welthandelsorganisation (WTO) über Liberalisierung des Handels mit Gütern und Dienstleistungen in den letzten Jahren entstandenen Gräben zu überwinden und eine pragmatische Perspektive der arbeitsteiligen Zusammenarbeit zwischen der WTO und der UNESCO zu entwickeln.

Der Präsident der Deutschen UNESCO-Kommission, Minister Walter Hirche, erklärt dazu: "Es ist mittlerweile internationaler Konsens, dass Güter und Dienstleistungen im Bereich Bildung und Kultur eine Doppelnatur haben. Sie sind ohne Zweifel handelbar; dienen jedoch auch Zielsetzungen, die über den Markt hinausreichen. Es ist deshalb unverzichtbar, Gestaltungsmöglichkeiten für nationale Bildungs- und Kulturpolitik zu erhalten und in internationaler Zusammenarbeit zu entwickeln. Diese Aufgabe kann die UNESCO aber nur in Synergie, nicht in Konfrontation mit der Welthandelsorganisation erfüllen."

Die Deutsche UNESCO-Kommission setzt sich dafür ein, dass die Konvention zur Verwirklichung des Menschenrechts auf kulturelle Selbstbestimmung der/des Einzelnen und sozialer Gruppen beiträgt. Nach ihrer Verfassung ist die UNESCO vor allem dem Ziel des freien Flusses von Ideen in Bildung, Wissenschaft und Kultur verpflichtet. Hirche: "Freihandel und der freie Fluss von Ideen in Wort und Bild müssen nicht als Gegensatz begriffen werden. Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen in Bildung, Kultur und Medien eignet sich nicht als Schreckgespenst, wenn nationale Ausnahmeforderungen ebenso wie der Freihandel selbst an die Beachtung internationaler Vereinbarungen über Menschenrechte und Grundfreiheiten gebunden werden. Eine UNESCOKonvention zur kulturellen Vielfalt soll deshalb keine Hürden für kulturellen Dialog und Austausch unesco aktuell aufbauen, sondern zur arbeitsteiligen Zusammenarbeit zwischen der UNESCO und der Welthandelsorganisation beitragen."

Komplementär zu den handelspolitisch ausgerichteten WTO-Verträgen und -Verhandlungen soll die Konvention eine kulturpolitische Berufungsgrundlage bieten, in der nicht unterschreitbare Prinzipien der Kulturverträglichkeit festgeschrieben sind. Ein Rechtsinstrument zur kulturellen Vielfalt könnte die Auslegung von Rechtsregelungen der WTO etwa bei der Beilegung von Streitfällen beeinflussen.

Der Arbeitsprozess an der UNESCO-Konvention zum Schutz kultureller Vielfalt ist eine der wichtigsten Aufgaben, mit denen sich die UNESCO derzeit befasst. Eine Vielzahl von kulturpolitischen Maßnahmen (Quotenregelungen bei Film/TV/Radio, Besitz von Kulturunternehmen, steuerliche Maßnahmen, Zuschüsse u.a.) würden, falls sie allein nach den GATS-Regeln bewertet werden, als handelspolitisch unerwünschte Diskriminierungen eingestuft. Die Konvention soll daher die Legitimität von Kulturpolitiken international anerkennen und bilaterale und plurilaterale Kooperationsabkommen im Kulturbereich, vor allem zugunsten der Entwicklung audiovisueller Produktionen in den Entwicklungsländern, befördern.

Über den unmittelbaren Kultur- und Medienbereich hinaus ist die Problematik vor dem Hintergrund der GATS-Regeln auch für viele Einrichtungen aus Wissenschaft und Bildung relevant.

Nach dem Beschluss der 32. UNESCO-Generalkonferenz vom Herbst 2003, eine Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt auszuarbeiten, wird die 33. Generalkonferenz im Herbst 2005 in Paris den Konventionsentwurf beraten. Die Deutsche UNESCO-Kommission begleitet den Beratungsprozess in einer Koalition für kulturelle Vielfalt unter Einbeziehung verschiedener Sparten der Kulturarbeit. Das Berliner Fachgespräch war die Auftaktveranstaltung dieser bundesweiten Koalition. In ihm wurden konkrete Erwartungen an die Konvention mit Fallbeispielen aus den verschiedenen Bereichen der Kulturproduktion und -verwertung erörtert.

Hirche zur bundesweiten Koalition zur kulturellen Vielfalt: "Der Auftrag der UNESCOGeneralkonferenz, eine Konvention zur kulturellen Vielfalt auszuarbeiten, ist von besonderem politischen Gewicht. Deutsche Experten haben hierbei eine verantwortliche Vermittlerrolle. Ich bin sicher, dass die von der Koalition zur kulturellen Vielfalt erarbeiteten Argumente sich als belastbare Stege über die Kluft zwischen den Lagern von Protektionismus und Liberalisierung erweisen."

Derzeit gibt es weltweit elf solcher Koalitionen (unter anderem in Kanada, Australien, Frankreich, Korea, Senegal, Chile), deren Arbeit von einem Liaisonkomitee mit beratendem Status bei der UNESCO begleitet wird. Die deutsche Koalition kooperiert eng mit diesen internationalen Netzwerken.

Umfassende Informationen mit relevanten nationalen und internationalen Dokumenten auf www.unesco.de unter "Aktuelles": http://www.unesco.de/c_arbeitsgebiete/kulturelle_vielfalt.htm

Ansprechpartnerin: Christine M. Merkel, Referentin für Kultur und Kommunikation/Information der Deutschen UNESCO-Kommission,
Tel.: (bis 15.6.:) 0172-9374401, (ab 16.6.:) 0228-60497-19,
Email merkel@unesco.de

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