Die neue Präsidentin des Bühnenvereins, Prof. Barbara Kisseler, hat in ihrer Antrittsrede die Bedeutung von Kunst und Kultur für die Stadt hervorgehoben. Sie forderte zugleich, Politik und Gesellschaft müssten sich deutlicher dazu bekennen, dass die Arbeit der Theater und Orchester für das Zusammenleben der Menschen in der Stadt unverzichtbar ist. „Ohne die Arbeit unserer städtischen Kulturbetriebe hat die Stadt als Ort der Kreativität, als Ort der Phantasie, als Werkstatt für die Lösung der Probleme der Gesellschaft keine Zukunft“, betonte sie in ihrer Ansprache. Deshalb seien diese Einrichtungen unbedingt zu sichern.

In der Hauptversammlung des Deutschen Bühnenvereins, die am 29. und 30. Mai 2015 in Potsdam stattgefunden hat, wählten dessen Mitglieder die Hamburger Kultursenatorin am Freitagabend einstimmig zur neuen Präsidentin. Prof. Kisseler tritt die Nachfolge von Prof. Klaus Zehelein an, dem früheren Intendanten der Staatsoper Stuttgart und Präsidenten der Bayerischen Theaterakademie, der das Amt des Bühnenvereinspräsidenten zwölf Jahre innehatte.

Die Jahreshauptversammlung befasste sich mit aktuellen Themen der täglichen Arbeit der Theater und Orchester. Dazu gehörten das neue Bundesgesetz zur Tarifeinheit, das Handels- und Investitionsabkommen TTIP, die urheberrechtlichen Probleme, die bei der täglichen Arbeit der Theater bestehen, sowie das Thema der Demokratiefähigkeit und Partizipation von Bürgern. Dazu ist Folgendes festzuhalten:

1. Zum Bundesgesetz der Tarifeinheit äußerte der Bühnenverein die große Befürchtung, dass das Gesetz die Konkurrenz der Gewerkschaften untereinander nur anheizen werde. Die Streikanfälligkeit der Unternehmen werde dies eher steigern, wie man schon jetzt bei der Deutschen Bahn beobachten könne. Außerdem sei das Gesetz nicht zu handhaben, vor allem hinsichtlich der von Arbeitgeberverbänden wie dem Bühnenverein mit Gewerkschaften abgeschlossenen Flächentarifverträge, die für zahlreiche Mitgliedsunternehmen gelten und eine Gleichbehandlung der Mitarbeiter in diesen Unternehmen sicherstellen sollen.

Bestätigt wurde von der Jahreshauptversammlung die kürzlich vom Bühnenverein mit den Künstlergewerkschaften GDBA (Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger) und VdO (Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer) ausgehandelte neue Mindestgage von 1765 Euro brutto (bisher 1650 Euro), was einer Steigerung von über 7 Prozent entspricht. Dies zeige, dass trotz angespannter Finanzlage der Theater die Notwendigkeit gesehen wird, gerade Künstler, die weniger verdienen, besser zu bezahlen.

2. Bezogen auf TTIP fordert der Bühnenverein von der Bundesregierung und der EU-Kommission eine klare Haltung, dass Kunst und Kultur von diesem Abkommen nicht betroffen sein dürfen. Wenn es zum uneingeschränkten Abschluss von TTIP komme, werde der Bühnenverein mit allen Mitteln gegen eine Kommerzialisierung kultureller Aktivitäten eintreten. Gerade wegen TTIP sei es für die öffentlich geförderten Theater und Orchester wichtig, dass sie in die deutsche Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden sind.

3. In den Fokus rückte die Jahreshauptversammlung noch einmal die Notwendigkeit, die urheberrechtlichen Regelungen den besonderen Bedürfnissen der Theater und Orchester anzupassen. Die Ergänzung eines Stückes mit Fremdtexten für eine Inszenierung müsse aus künstlerischen Gründen erlaubt sein. Dies finde seine Grenzen im Persönlichkeitsrecht des Autors. Hier gehe es um eine Güterabwägung, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen dürfe. Ein urheberrechtlich ungeklärtes Problem ist nach wie vor das Streaming von ganzen Aufführungen. Hinzu kommen erhebliche Schwierigkeiten bei der Produktion von Tanztheater mit Musikausschnitten. Der Bühnenverein fordert, dass für die Lizensierung solcher Musikausschnitte die Verwertungsgesellschaft GEMA zuständig ist. Die neue Präsidentin des Bühnenvereins kündigte eine urheberrechtliche Initiative des Bühnenvereins und der Länder an.

4. Jenseits der urheberrechtlichen Fragen spielte das Thema „Theater im Netz“ eine erhebliche Rolle bei der Jahreshauptversammlung. Dabei wurde festgestellt, dass vielen Theatern und Orchestern die personellen und finanziellen Ressourcen fehlen, um umfangreiche digitale Strategien umzusetzen. Dies sei umso bedauerlicher, als darin eine große Chance liegt, um mit einem Publikum in Kontakt zu treten, das nicht zu den typischen Theaterbesuchern gehört, und um neue Kommunikationswege zu finden.

Wichtig sei bei Internetangeboten der Theater und Orchester auch die Frage nach dem künstlerischen Mehrwert. Denkbar sei es, in Zukunft einzelne künstlerische Arbeiten ausschließlich für das Netz zu produzieren und anzubieten. Überlegungen, alle Aufführungen vollständig ins Netz zu stellen, wurde eine klare Absage erteilt. Vielmehr sei es notwendig, von Fall zu Fall zu entscheiden, ob es interessant und sinnvoll ist, eine Vorstellung zu streamen.

5. Beim Thema „Partizipation – Bürgerbühne – Demokratiefähigkeit“ befasste sich die Hauptversammlung vor allem mit der Frage, welche Bedeutung das Theater als öffentlicher Raum habe. Dazu sprachen Prof. Barbara Kisseler, Kultursenatorin der Freien und Hansestadt Hamburg und neue Präsidentin des Deutschen Bühnenvereins, über „Partizipation und Theater aus kulturpolitischer Sicht“, Hasko Weber, Generalintendant des Nationaltheaters Weimar, über „Pegida und die Freiheit der Kunst“, Björn Bicker, Dramaturg und Autor, über „Die Kunst der Teilhabe - Theater als Politische Praxis“ sowie Prof. Birgit Mandel, Leitung des Bereichs Kulturmanagement und Kulturvermittlung im Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim, über „Von der (Bildungs-)Bürgerbühne zum Ort, der alle angeht? Veränderungen am Theater durch partizipative Projekte“.

In den Vorträgen und nachfolgenden Debatten wurden Fragen nach der Bedeutung des Theaters als Diskussionsforum ebenso behandelt wie die Überlegung, welche Auswirkungen die immer weiter steigenden Anforderungen an das soziale Engagement der Theater und Orchester auf den Kunstbetrieb habe. Prof. Heinz Bude prägte in einem weiteren Vortrag vor der Intendantengruppe des Bühnenvereins den Begriff der „gefährlichen Begegnung“, zu der niemand besser in der Lage sei als das Theater, um unter Partizipation der Zuschauer neue kreative Räume zur Lösung anstehender Zukunftsfragen zu entwickeln.