Die Sammlung des Brahms-Instituts an der Musikhochschule Lübeck ist um ein wertvolles Kulturgut reicher: Aus einem privaten Nachlass erhielt das Institut umfangreiche Quellenbestände der Brahms-Vertrauten Emanuel Wirth und Julius Stockhausen. Das spektakulärste Objekt ist ein dreiseitiger Brief aus der Hand Ludwig van Beethovens.

Heiko Hoffmann, Vorsitzender des Vereins zur Förderung des Brahms-Instituts und Prof. Dr. Wolfgang Sandberger, Leiter des Brahms-Instituts präsentieren den Beethoven-Brief am Mittwoch, 18. Januar um 18 Uhr in der Eschenburg-Villa der Öffentlichkeit. Der Beethoven-Brief wird weiterhin von Donnerstag, 19. Januar bis Sonntag, 29. Januar jeweils von 14 bis 18 Uhr im Museum des Brahms-Instituts ausgestellt. Beethoven schrieb ihn im Juli 1823 nach Paris an den Harfenisten und Komponisten Franz Anton Stockhausen, Vater des Sängers und Brahms-Freundes Julius Stockhausen. In dem dreiseitigen Schreiben mit originalem Siegel fragt Beethoven nach Subskribenten für seine „Missa solemnis“ op. 123. Zugleich zeichnet der Komponist ein düsteres Bild seiner Lebensumstände: „Allein mein geringer Gehalt meine Kränklichk. erfordern Anstrengung“.

Der Beethoven-Brief ist Bestandteil des Nachlasses der Musikpädagogin Renate Wirth, die den Verein zur Förderung des Brahms-Instituts Lübeck e. V. zum Generalerben bestimmt hat. Ihre beiden Großväter waren renommierte Musiker und gehörten zum Freundeskreis von Johannes Brahms: der als Bratscher im berühmten Joachim-Quartett spielende Emanuel Wirth und der Sänger Julius Stockhausen. Prof. Dr. Wolfgang Sandberger, Leiter des Brahms-Instituts: „Die beiden Nachlässe von Emanuel Wirth und Julius Stockhausen sind von außergewöhnlicher musikhistorischer Aussagekraft. Schon bei der ersten Sichtung werden vielversprechende Forschungsperspektiven deutlich – ein Glücksfall für das Brahms-Institut. Allein der Wert des Beethoven-Briefes wird auf über 100.000 Euro geschätzt.“

Der Nachlass umfasst 20 Kisten mit unterschiedlichem Material. Für die Forschung von besonderem Wert sind die erhaltenen persönlichen Notenbibliotheken der beiden Musiker, darunter viele Erst- und Frühdrucke. Aufschlussreich sind zahlreiche Arbeitsexemplare, die mit reichen Anmerkungen versehen sind und die Musizierpraxis der Zeit dokumentieren. Von ikonographischem Wert sind die privaten Fotoalben mit einer Vielzahl bisher unbekannter Fotografien berühmter Musiker, darunter Joseph Joachim, Franz Liszt, Richard Wagner, Theodor Kirchner, Clara Schumann, Hans von Bülow und Gioacchino Rossini.

Julius Stockhausen und Emanuel Wirth standen, wie später auch Renate Wirth, mit vielen Künstlerpersönlichkeiten in Kontakt, so dass in den Nachlässen viele handschriftliche Briefe erhalten sind. So finden sich Dokumente unter anderem von Max Kalbeck, Carl Reinecke, Kurt Thomas, Carl Orff, Max Friedlaender, Hugo Riemann und Julius Röntgen. Einblicke in die Lebenswelt und Musikkultur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts lassen sich auch aus den handschriftlichen Repertoirelisten des zur Brahms-Zeit berühmten Joachim-Quartetts und einer Sammlung von Konzert-Programmen gewinnen. Gästebücher, Poesiealben und andere Familiendokumente spiegeln die Vielfalt des Nachlasses. Ein besonders schönes Stück ist Stockhausens elfenbeinener Taktstock, den der Dirigent 1864 als Dankesgabe von den Damen der von ihm geleiteten Hamburger Sing-Akademie bekam – eine Stelle übrigens, die Brahms selbst gerne bekleidet hätte.

Was mit dem Nachlass geschehen soll, erläutert Prof. Dr. Wolfgang Sandberger: „Der Nachlass muss zunächst erschlossen und katalogisiert werden. Dann soll eine Studie über Julius Stockhausen hier am Hause entstehen. Besonders interessante Exponate werden in den Ausstellungen, die das Brahms-Institut regelmäßig in der Villa Eschenburg präsentiert, der Öffentlichkeit gezeigt.“

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