Der 4. Bildungsbericht bestätigt: Kooperationen zwischen Kultur und Schule sind ein Schlüssel für mehr Teilhabegerechtigkeit. Außerdem legt er den Nachholbedarf bei Forschung und Weiterbildung im Bereich der Kulturellen Bildung offen.

Der 4. Nationale Bildungsberichts ist am 27. Juni 2012 im Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Berlin der Fachöffentlichkeit vorgestellt worden. Schwerpunktthema des Berichts „Bildung in Deutschland 2012“ ist die „Kulturelle/musisch-ästhetische Bildung im Lebenslauf“. Diesen Schwerpunkt haben die Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) und das Bundesbildungsministerium (BMBF) bewusst gesetzt, um auf die Bedeutung der Kulturellen Bildung im Kanon der allgemeinen Bildung aufmerksam zu machen. „Kulturelle Bildung gehört zum Kernbestand eines jeden Konzeptes zeitgemäßer Allgemeinbildung“, sagte der Brandenburgische Bildungsstaatssekretär Burkhard Jungkamp.

Ganztagsschulen verringern soziale Unterschiede in der Nutzung kultureller Bildungsangebote
Der Sprecher der Autorengruppe des Bildungsberichts, Prof. Dr. Horst Weishaupt, betonte, Kulturelle Bildung sei zentral für die Persönlichkeitsentwicklung, breit in den Familien und der Gesellschaft verankert, aber auch mit hohen sozialen Disparitäten verbunden. Um Kinder und Jugendliche aus allen Schichten mit Kultureller Bildung in Kontakt zu bringen, spielen dem Bericht zufolge Schulen, insbesondere Ganztagsschulen, eine bedeutende Rolle. Im Gegensatz zu außerschulischen Angeboten seien die kulturellen Angebote an Ganztagsschulen „nicht sozial selektiv“. Allerdings könnten die schulischen Angebote die bestehenden schichtspezifischen Unterschiede nicht kompensieren.

Formalen Bildungseinrichtungen komme im Vergleich zu kulturellen Einrichtungen und informellen Bildungszusammenhängen oft nur eine vorbereitende Rolle für musisch-ästhetische Lern- und Bildungsprozesse zu, so der Bericht weiter. Der Bildungsbericht empfiehlt ausdrücklich, kulturelle Aktivitäten aus informellen und non-formalen Kontexten in Einrichtungen der formalen Bildung stärker aufzugreifen. Das schaffe Chancen „musisch-ästhetische Bildung zu intensivieren, indem das, was oft individuell und spontan betrieben wird, stärker gerichtet, reflektiert und gemeinsam bearbeitet zum Medium von Persönlichkeitsentwicklung und gemeinschaftlicher Erfahrung gemacht wird. Der Ausbau von erweiterten Angeboten in den Schulen – innerhalb und außerhalb des Kontextes von Ganztagsschulen – kann dazu nachdrücklich beitragen.“

BKJ spürt Rückenwind für „Kultur macht Schule“
Der Bildungsbericht bestätigt damit den Weg zu mehr kultureller Teilhabe durch Schulkooperationen, den die BKJ mit ihrem Handlungsfeld „Kultur macht Schule“ seit 2004 eingeschlagen hat. „Die BKJ sieht sich durch den Bildungsbericht bestärkt in ihrer Forderung nach besseren politischen Rahmenbedingungen für Kooperationen, um langfristig und im Rahmen von lokalen Bildungslandschaften von Projekten zu Strukturen und so zu nachhaltigen Bildungswirkungen für alle Kinder und Jugendlichen zu kommen“, sagte Hildegard Bockhorst, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung.

„Die Datenlage ist katastrophal“
Der Bericht krankt ausgerechnet in seinem Schwerpunktkapitel an einer schütteren Datenlage. Prof. Weishaupt bestätigte, die Datenlage für den Themenschwerpunkt sei „katastrophal“, „Verzerrungen“ in der Darstellung der Situation will er nicht ausschließen. Die Rede von einer „schütteren Datenlage“ hält Ko-Autor Prof. Dr. Martin Baethge sogar für untertrieben: „Es ist fast eine Glatze. Aber eines zeigen uns die Daten: das große Interesse junger Menschen an kulturellen Aktivitäten. Wir sollten das als Ansporn nehmen – in der Schule wie im außerschulischen Bereich.“

Forschungs- und Weiterbildungsinitiative
Der Bericht konstatiert insbesondere einen Mangel an Daten zur Nutzung non-formaler Angebote, zu informellen Aktivitäten und zu den Qualitätsindikatoren für verlässliche Netzwerke. Staatssekretär Jungkamp unterstrich, dass es Forschungsbedarf zu Quantität und Qualität der Angebote Kultureller Bildung gebe. Der Bericht zeige auch, dass bei der Ausbildung und Weiterbildung von Erzieher/innen und Grundschullehrer/innen Handlungsbedarf bestehe, befand Dr. Thomas Greiner, der im BMBF für lebenslanges Lernen und Bildungsforschung zuständig ist. Greiner stellte eine Initiative des BMBF für mehr Forschung und Weiterbildung im Bereich der Kulturellen Bildung in Aussicht. Hildegard Bockhorst begrüßte dieses Ankündigung: „Seit Langem kritisiert die BKJ das Fehlen einer gesicherten Datengrundlage und darauf aufbauender Qualifizierungsprogramme.“

Prof. Weishaupt wünschte sich, dass es nicht bei der einmaligen datengestützten Erhebung des Bildungsberichts bleibt. Der Bildungsforscher plädierte für erweiterte Datenerhebungen und mehr Studien zur non-formalen Bildung und Feldvermessung der Kulturellen Bildung. „Es ist ein großes Desiderat, dass es keine Kulturstatistik zur Kulturellen Bildung gibt. Wir arbeiten viel mit Mutmaßungen. Es wäre schön, wenn daraus eine empirische Evidenz würde.“

Weitere Informationen: www.bildungsbericht.de

Die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) ist der Dachverband der Kulturellen Kinder- und Jugendbildung in Deutschland. Sie versteht sich als Sprachrohr der Kulturellen Bildung und vertritt ihre jugend-, bildungs- und kulturpolitischen Interessen. Ziel ist die Weiterentwicklung und Förderung der Kulturellen Bildung: gesellschaftlich sensibel, nachhaltig, möglichst für jeden Menschen zugänglich, von Anfang an und ein Leben lang. Unter dem Dach der BKJ sind 55 Organisationen aus den Bereichen Musik, Spiel, Theater, Tanz, Rhythmik, bildnerisches Gestalten, Literatur, Museum, Medien, Zirkus und kulturpädagogische Fortbildung vertreten. Sie ist der zentrale Fachpartner des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).

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