Obwohl sich die Situation der Kulturveranstaltungswirtschaft seit letztem Jahr noch wesentlich verschlechtert hat, sind im Rahmen des Programms Neustart Kultur für die Förderung von Konzert- und Festivalveranstalter:innen – neben Restmitteln aus diesem Jahr – von der Beauftragten für Kultur und Medien (BKM), Frau Prof. Grütters, nur 20 Millionen Euro eingeplant. Im vergangenen Jahr standen insgesamt immerhin 80 Millionen Euro zur Verfügung. Die Branche ist dankbar dafür, dass zusätzlich in diesem Jahr unverbrauchte 17 Millionen Euro auf das kommende Jahr vorgetragen werden dürfen. Die damit für 2022 insgesamt zur Verfügung stehenden 37 Millionen Euro reichten allerdings bei weitem nicht aus, um den aktuellen Bedarf der Branche im Interesse eines hoffentlich endlich möglichen Neustarts zu befriedigen. „Wenn Staatsministerin Prof. Grütters dieses Budget nicht nachbessert, wäre das nicht nur ein Tiefschlag für die Branche, sondern es würde alle bisherigen Bemühungen, dem Wirtschaftszweig wieder auf die Beine zu helfen, konterkarieren“, sagt Prof. Jens Michow, geschäftsführender Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) e.V.

Förderbedarf ist gewachsen

Michow berichtet, dass das Motiv von Neustart Kultur – wie der Name schon sagt – darin bestehe, Veranstalter:innen und Kultureinrichtungen in die Lage zu versetzen, wieder Veranstaltungen durchzuführen, um Künstler:innen und Kreativen eine Erwerbs- und Zukunftsperspektive zu bieten. Dieses Ziel konnte aufgrund des andauernden Lockdowns in diesem Jahr nicht erreicht werden. Viele Mittel flossen in Vorbereitungskosten von Konzerten, die später wieder abgesagt werden mussten. „Daher dürfte es doch klar sein, dass die Mittel für 2022 unter Aufstockung der unverbrauchten Mittel mindestens genauso hoch sein müssen wie im Vorjahr“, klagt Michow, der maßgeblich an den Neustart-Förderprogrammen für den Live-Bereich mitgearbeitet hatte. „Der 2020 erkannte Förderbedarf wird für einen zweiten Anlauf des Neustarts doch im kommenden Jahr nicht niedriger sein. Die Taschen der Veranstalter:innen sind leerer als noch vor einem Jahr. Der Wirtschaftszweig hatte daher für 2022 eine Aufstockung des Budgets auf 120 Millionen gefordert.

45 Millionen Euro konnten noch nicht abgerufen werden

Ein großes Problem sei es auch, wie Michow berichtet, dass von den rund 52 Millionen Euro, die den Antragsteller:innen für 2021 bewilligt wurden, bisher nur rund 7 Millionen abgerufen wurden. Die Ursache bestehe darin, dass die Veranstaltungen, die gefördert werden sollten, nicht stattfanden bzw. stattfinden werden. „Leider wissen wir bis heute nicht, ob die Veranstalter:innen die Möglichkeit erhalten, diese ihnen ja bereits bewilligten Mittel für ihre Nachholveranstaltungen im kommenden Jahr einzusetzen. Wir erwarten dringend, dass dafür ein förderrechtlich gangbarer Weg gefunden und damit sichergestellt wird, dass die Mittel nicht in den Haushalt zurückfließen, sondern entsprechend ihrer Zweckbestimmung verwandt werden können.“ Auf Unverständnis stößt die aktuelle Planung der BKM bei Michow vor allem, da bei den Verhandlungen für das Programm dieses Jahres ursprünglich 123 Millionen Euro für den Live-Bereich reserviert wurden. „Die Differenz zu den zur Verfügung gestellten 80 Millionen sollte zunächst als Reserve verbleiben. Zumindest Teile davon müssten doch noch vorhanden sein und wären für 2022 eine große Hilfe für die Branche.“

Sonderfonds verdrängt nicht Neustart Kultur

Als wesentliches Argument für die Herabsetzung des Budgets wird den Konzert- und Festivalveranstalter:innen entgegengehalten, dass ihnen nunmehr erhebliche Mittel aus dem 2 Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen zur Verfügung stünden. Da die Ziele beider Programme weitgehend die gleichen seien, solle zunächst der Fonds in Anspruch genommen werden. Der Fonds in Höhe von 2,5 Milliarden Euro gewährt eine Wirtschaftlichkeitshilfe im Falle von nachträglichen Einschränkungen von Veranstaltungen sowie eine Ausfallabsicherung. Der BDKV-Präsident kann den Hinweis des BKM-Teams nicht nachvollziehen: „Es ist ein erheblicher Irrtum, zu glauben, dass die Mittel aus Neustart Kultur einerseits, sowie des Sonderfonds andererseits sich überschneidende Förderungen anbieten und der Fonds die BKM-Neustarthilfe für Veranstalter:innen überflüssig mache. Wer so argumentiert, missversteht die Zielrichtung des Sonderfonds. Er kann in Anspruch genommen werden, wenn eine Veranstaltung notleidend wird, also nicht so stattfinden kann, wie geplant oder ganz abgesagt werden muss. Ziel von Neustart Kultur ist es hingegen, Veranstalter:innen zu ermutigen, überhaupt wieder Veranstaltungsrisiken einzugehen“, erläutert Michow. „Wer sich wünscht, dass die Kulturvielfalt nach der Pandemie erhalten bleibt, wird der Branche helfen müssen, die erheblichen Veranstaltungsrisiken vorübergehend zu minimieren. Diese sind durch die Pandemie noch größer geworden, denn wir beobachten derzeit eine erhebliche Kaufzurückhaltung. Selbst für 500 Besucher:innen konzipierte Veranstaltungen sind nicht ausverkauft. Genau deshalb brauchen wir Neustart Kultur dringender denn je.“ Da wirtschaftliche Veranstaltungen voraussetzten, dass die Abstandsregeln entfallen, wird die Wirtschaftlichkeitshilfe dann gar nicht mehr beansprucht werden können. Eine Kannibalisierung beider Programme ist daher ausgeschlossen.

Die Branche sei allerdings sehr dankbar dafür, dass mit dem Sonderfonds nunmehr Mittel zur Verfügung stehen, um Veranstaltungen auch unter eingeschränkten Bedingungen zu ermöglichen und Ausfallrisiken abzufedern. Mit dem Schutz vor wirtschaftlich nachteiligen Kapazitätsreduktionen und Ausfallrisiken lässt sich aber nicht das originäre Ziel von Neustart Kultur erreichen, die Vielfalt des Kulturbetriebs durch die Förderung von Veranstalter:innen zu erhalten. Zudem sei die Wirtschaftlichkeitshilfe ohnehin zeitlich limitiert und werde nur für kleinere Veranstaltungen bis zu 2.000 Besucher:innen gewährt. „Da unsere Branche jetzt ihre Veranstaltungen für das kommende Jahr plant, muss schnell die Entscheidung fallen, welche Mittel uns 2022 aus Neustart Kultur zur Verfügung stehen und wie die Förderbedingungen dafür aussehen. Sollte es bei der bisherigen Budget-Planung bleiben, werden allenfalls die Hälfte der erwarteten Antragsteller:innen eine Förderung erhalten können. Das Konzertangebot 2022 wird sich dann auf den wirtschaftlich lukrativen Mainstream reduzieren. Die Leidtragenden werden vor allem auch die jungen noch nicht so bekannten Künstler:innen sein.“

Immer noch keine Hilfen für Künstler:innenagenturen

Auch für ein weiteres bereits seit über einem Jahr schwelendes Ärgernis der Branche wurde bisher keine Lösung gefunden: Der ebenfalls im BDKV organisierte Berufsstand der Künstler:innenagenturen hat bisher von Neustart Kultur überhaupt nicht profitieren können. Das ist für Michow umso weniger nachvollziehbar, da die Programmankündigung der Bundesregierung vom 4. Juni 2020 ausdrücklich vorsah, dass auch die Künstler:innenvermittler:innen von den 150 Millionen Euro für den Musikbereich profitieren sollten. Leider scheiterte die Umsetzung dieser Ankündigung aus förderrechtlichen Gründen. Die Agenturen und der BDKV haben daher eine Arbeitsgruppe gegründet, um ein Programm zu erarbeiten, welches doch den förderrechtlichen Anforderungen genügt. Leider verliefen die zahlreich dazu geführten Gespräche bisher nicht erfolgreich. „Vermittlungsagenturen sind das Bindeglied zwischen Künstler:innen und Veranstalter:innen. Insbesondere der Künstler:innennachwuchs ist dringend auf ihre Unterstützung angewiesen“, erklärt Michow. „Wenn es uns nicht gelingt, wenigstens für 2022 ein Förderprogramm auch für den Agenturbereich anzubieten, werden zahlreiche etablierte Agenturen insbesondere aus dem Bereich der Klassischen Musik ihre Unternehmen schließen.“ Sie seien aus verschiedenen Gründen durch nahezu alle anderen Förderraster gefallen. Michow weist darauf hin, dass die zweite Kulturmilliarde laut Ankündigung der BKM mit bis zu 800 Millionen Euro dem Bereich ‚Erhalt und Stärkung von Kulturproduktion und –vermittlung‘ zur Verfügung stehen solle. „Insbesondere auf dieser Grundlage 3 erwarten wir, dass der Neustart der Agenturen zumindest im kommenden Jahr endlich angemessen gefördert wird. Nur so wird es möglich sein, dass sie nach so langer Zwangspause wieder in die Lage versetzt werden, effektive Aufbauarbeit für ihre Künstler:innen zu leisten“

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