Mit einem ausverkauften Konzert des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg unter Tito Muñoz startet das internationale Musikfestival "Heidelberger Frühling“ am Samstag (2. April) in seine 20. Saison. Bis zum 30. April sind zahlreiche Künstler zu hören, die die Entwicklung des Festivals in den vergangenen Jahrzehnten mitgeprägt haben. Dazu zählen der Bariton Thomas Hampson, der Klarinettist, Komponist und Dirigent Jörg Widmann und der Pianist Igor Levit, die mit dem Cellisten Daniel Müller-Schott Solisten des Eröffnungskonzerts sind. Zu seinem Geburtstag wartet das Festival mit Neuerungen auf, unter anderem mit zwei hochkomprimierten Themenwochenenden, dem "Neuland.Lied“ und dem Kammermusikfest "Standpunkte“. Zudem hat der "Frühling“ zwei befreundete Festivals eingeladen, Heidelberg als Plattform für herausragende neue Produktionen und Projekte zu nutzen: Thomas Wördehoff von den Ludwigsburger Schlossfestspielen hat unter dem Titel "Verklärte Nacht“ einen Abend konzipiert, bei dem Schönbergs Streichsextett auf die abgeklärte Schwermut der großen Bluessongs trifft (Premiere: 8. April, ausverkauft). In der multimedialen Konzerterzählung "Szenen der Frühe“ machen der "Heidelberger Frühling“ und das PODIUM Festival Esslingen Robert Schumann, der in Heidelberg seinen 20. Geburtstag feierte, zum Gegenstand einer Koproduktion mit Kammermusik, Multimedia und Tanz. Dabei ist Schumanns emotionale Wechselhaftigkeit Ausgangspunkt für die am Ende jedermann betreffende Frage, was ein gelungenes Leben ausmacht (Premiere: 13. April). Mit mehr als 100 Veranstaltungen und über 40 000 Besuchern pro Jahr ist der "Heidelberger Frühling“ das größte Musikfestival Baden-Württembergs und eines der führenden in Deutschland.

Neben der Lied Akademie und dem "Lied.Lab“ ist "Neuland.Lied“ ein weiterer Programmbaustein, mit dem der "Heidelberger Frühling“ diese Kunstform aus der Umklammerung veralteter Kategorisierungen und Rezeptionsformen lösen möchte: Zur Eröffnung singen Thomas Hampson und Alumni der Lied Akademie "Des Knaben Wunderhorn“ in Vertonungen verschiedener Komponisten, zum Abschluss gibt es Jazz mit Thomas Quasthoff. Die übrigen 15 Veranstaltungen loten die Bandbreite dazwischen aus. Neben klassischen Liederabenden (Klaus Florian Vogt, Martin Mitterrutzner, Benjamin Appl etc.) gibt es unter anderem ein für den "Frühling“ konzipiertes Konzert der Sopranistin Chen Reiss und des Mandolinisten Avi Avital mit Kompositionen von Manuel de Falla, Gabriel Fauré, Maurice Ravel und anderen, die von unterschiedlichster Volksmusik inspiriert sind. Unter dem Titel "Songs without Words“ sind Lieder von Kurt Weill und Tom Waits zu hören, arrangiert für Posaune, Schlagzeug und Klavier. "Das neue Wunderhorn“ widmet sich zeitgenössischen Liedern – u.a. von Alumni der Heidelberger Komponisten-Akademie – mit alltäglich-volksliedhaften Texten für die Besetzung Stimme und Schlagzeug. Und bei "Black is the Colour“ treffen englische Lieder des 17. Jahrhunderts von Dowland und Purcell auf elektronische Ummantelungen und Verfremdungen. 

Die große Tradition Heidelbergs als Liedstadt rückt auch das Projekt "Lieder in den Häusern der Stadt“ ins Bewusstsein. Zeitgleich zu einem Wandelkonzert des "Heidelberger Frühling“ in den schönsten Salons Heidelbergs laden Privatleute in ganz Heidelberg zu Hauskonzerten ein, bei denen gesungen werden kann, was Freude macht (9. April). Fortgesetzt werden außerdem die Lied Akademie unter Leitung von Thomas Hampson, diesmal mit den weiteren Dozenten Brigitte Fassbaender, Wolfram Rieger und Peter Gülke, sowie das "Lied.Lab“. Bei dieser vom Kulturhaus Karlstorbahnhof kuratierten Reihe machen die einsamen Künste des Liedermachens und des literarischen Schreibens gemeinsame Sache. Zu Gast sind unter anderem die Schriftsteller Michael Kolain, Carolin Callies und Julia Wolf sowie der Songwriter Marcel Gein.

Mit dem Bariton Christian Gerhaher wird 2016 ein Sänger mit dem Musikpreis des "Heidelberger Frühling“ ausgezeichnet, der auf der Opernbühne sowie als Liedsänger gleichermaßen neue Maßstäbe setzt. Der Preis ist mit 10 000 Euro dotiert – gestiftet vom Gründungspartner HeidelbergCement – und geht jährlich an eine Persönlichkeit, die sich substanziell und nachhaltig für die Vermittlung von klassischer Musik einsetzt. Übergeben wird die Auszeichnung zum Abschluss der vierten Heidelberg Music Conference, die am 27. und 28. April als Branchentreffpunkt wieder eine Plattform für Festivalmacher und Konzertveranstalter bietet.

Die Kammermusik ist – neben dem Lied – als intime, gesellige, emotional dichte Ausdrucksform die musikalische Gattung der Romantik und gehört somit zum Kern des "Frühling“ in Heidelberg. Neben Konzerten mit Größen wie dem Fauré Quartett (Uraufführung eines Klavierquartetts von Toshio Hosokawa), dem Pianisten Arcadi Volodos und der Geigerin Tianwa Yang gibt es erstmals das Kammermusikfest "Standpunkte“. Das lange Wochenende mit 13 Veranstaltungen vom 21. bis 24. April dreht sich um das Thema des Meisterwerks: Wie inspirieren zukunftsweisende Kompositionen der Vergangenheit die musikalische Gegenwart? Außerdem kommen Werke der drei Kompositionsstipendiaten der Festival Akademie zur Uraufführung. Als Interpreten sind auch Mentoren der Kammermusik Akademie zu hören: die Cellisten Daniel Müller-Schott und Isang Enders, der Geiger Marc Bouchkov, der Klarinettist Julian Bliss und der Pianist und Künstlerische Leiter der Kammermusik Akademie Igor Levit.

Die Kammermusik Akademie direkt vor dem Kammermusikfest "Standpunkte“ behandelt an drei Tagen drei unterschiedliche Themen in Konzerten und musikalischen Workshops. Auch hier kann sich das Publikum mit der Frage nach wesentlichen, unverzichtbaren Meisterwerken beschäftigen. Der erste Tag widmet sich Bachs Goldberg-Variationen und seiner "Kunst der Fuge“ (Mentor: Marc-André Hamelin), der zweite Olivier Messiaen und seinem "Quatuor pour la fin du temps“, der dritte Tag der Kammermusikliteratur für Klarinette, darunter die Trios und Quintette von Mozart, Weber, Brahms und Rihm.

Vernetzt mit dem Akademiebereich Kammermusik findet nicht nur der Akademiebereich Komposition, sondern auch die Akademie für Musikjournalismus statt, die von FAZ-Redakteurin Eleonore Büning geleitet wird. Auch die Mentoren Max Nyffeler und Peter Hagmann geben ihre Expertise an die acht Stipendiaten weiter. Im Zentrum steht dabei der Austausch zwischen Autoren, Künstlern und Programmmachern über Musik, aber auch über die sich verändernde Kultur- und Medienlandschaft. Darüber hinaus bilden sich die jungen Profis in Techniken des Online-Journalismus weiter, wobei sie von Journalisten angeleitet werden, die selbst einmal an der Akademie für Musikjournalismus teilgenommen haben. Außerdem besuchen sie eine "Schreibwerkstatt“ und lernen die spezifischen Anforderungen des Lokaljournalismus sowie des Schreibens über Neue Musik kennen. Öffentlich tritt dieser Akademiebereich durch Journale in Erscheinung, die während des Festivals bei den Konzerten ausliegen, sowie durch eine öffentliche Aufzeichnung der Radiosendung "SWR2 Forum“, eine Diskussionsrunde zum Thema "Gute Noten – schlechte Noten ... Wer braucht noch die Musikkritik?“, die von Ursula Nusser geleitet wird, und ein "Quartett der Kritiker“.

Konsequent setzt der "Heidelberger Frühling“ auch seine Beschäftigung mit unkonventionellen Präsentationsformen, Formaten und Genre-Grenzgängen fort. Neben dem Projekt "Szenen der Frühe“ stehen hierfür die "MLP Late Night Lounge“, und die "After Work Concerts“, die die ritualisierte Atmosphäre klassischer Konzerthäuser bewusst aufbrechen, sowie die Reihe "Off-spring“, die Künstler einlädt, Räume abseits des klassischen "Frühling“ auszuloten. Zu hören sind in dieser Reihe unter anderem das Taksim Trio, das vision string quartet und ein Composer Slam.

Im Educationbereich ist schließlich ein neues Großprojekt der mit einem ECHO Klassik ausgezeichneten "Classic Scouts“ bemerkenswert: Die jugendlichen Botschafter der Klassik gehen gemeinsam mit dem Londoner Vokalensemble Voces8 in Schulen in und um Heidelberg und begeistern rund 200 Schüler für Musik und das Singen. Die Ergebnisse des mehrtägigen Workshops werden dann in einem Konzert im großen Saal der Stadthalle der Öffentlichkeit präsentiert.

Karten sind unter Tel. (06221) 584 00 44 und deutschlandweit an allen bekannten Vorverkaufskassen erhältlich. Das komplette Programm und Online-Kartenbuchungen unter: www.heidelberger-fruehling.de.