„Es gibt ein Menschenrecht auf kulturelle Identität. Die Bewahrung der kulturellen Vielfalt ist keine beliebige Forderung, sondern ein Gebot staatlicher Politik. Die Handelsminister der WTO dürfen das in Cancún nicht aufs Spiel setzen“, so Fritz Pleitgen, stellvertretender ARD-Vorsitzender und Vizepräsident der European Broadcasting Union (EBU), heute bei einer Pressekonferenz in Berlin. Fritz Pleitgen, Prof. Max Fuchs, Vorsitzender des Deutschen Kulturrats und Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, kündigten in der Hauptstadt ihr gemeinsames
Engagement bei der WTO-Ministerkonferenz im mexikanischen Cancún an. Die ARD, der Deutsche Kulturrat, die Heinrich-Böll-Stiftung und das
International Network for Cultural Diversity (INCD) werden sich dabei für den Schutz und die Förderung der kulturellen Vielfalt einsetzen. Mit dem Appell „Cancún Erklärung zur kulturellen Vielfalt“, den Prof. Max Fuchs heute erstmals vorstellte, soll das Engagement von Kulturakteuren in der ganzen Welt gebündelt werden.

Fritz Pleitgen: „Wir fordern die WTO-Mitglieder auf, die Bewahrung der kulturellen Vielfalt in eine Deklaration von Cancún als Verhandlungsziel aufzunehmen. Von der Europäischen Union erwarten wir Standfestigkeit auch dann, wenn die USA und Japan den Liberalisierungsdruck zu Lasten der kulturellen Vielfalt erhöhen wollen. Wir werden die Liberalisierungsverhandlungen und andere politische Felder, in denen die nationalen Kulturpolitiken ausgehöhlt werden könnten, sehr wachsam verfolgen. Wir freuen uns darüber, dass in der ganzen Welt die Zahl der Mitstreiter für die kulturelle Vielfalt wächst.“

Prof. Max Fuchs: „Die für die Verhandlungen verantwortlichen Politiker und ihre Verwaltungen müssen erkennen, dass so sensible Bereiche wie Kultur und Bildung zur Daseinsvorsorge gehören. Sie dürfen nicht ungeschützt dem rauen Wind des globalen Marktes ausgesetzt werden. Der Deutsche Kulturrat als Spitzenverband der Bundeskulturverbände freut sich darauf, in einer Allianz aus ARD als profiliertem Senderverbund, Heinrich-Böll-Stiftung als in Fragen der Globalisierung engagierter politischer Stiftung sowie dem INCD als bedeutendem internationalen kulturellen Netzwerk dieses Anliegen vorzutragen und ihm so politisches Gewicht zu geben.“

Ralf Fücks: „Die globale Konzentration im Bereich der audiovisuellen Medien und der Presse wird zu einer Gefahr für die Medienvielfalt als Rückgrat einer lebendigen Demokratie. Internationale Handelsabkommen dürfen die Medienvielfalt nicht dadurch einschränken, dass unter den Vorzeichen der Liberalisierung großen Medienkonzernen eine dominierende Stellung auf regionalen Märkten erleichtert wird.
Umgekehrt wenden wir uns auch gegen die von autoritären Regimes betriebene Abschottung ihrer Länder gegenüber Medien, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen. Es bleibt eine zentrale Aufgabe des Staates, Medienvielfalt, Pluralismus und den freien Zugang der Bevölkerung zu Informations- und Kommunikationsmedien zu gewährleisten.“

Ein hochrangig besetztes internationales Forum wird am 12. September in der „Cancún Erklärung zur kulturellen Vielfalt“ die Handelsminister auffordern, die nationalen Kulturpolitiken nicht zu gefährden. Teilnehmer des Forums sind neben Fritz Pleitgen und Prof. Max Fuchs: Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich Böll Stiftung, Francois Loos, französischer Staatsminister für Außenhandel, Aiche Agne Pouye, Handelsministerin des Senegal und José F. Poblano Chávez, für die Dienstleistungsverhandlungen verantwortlicher mexikanischer Generaldirektor, Stephen Shrybman, INCD-Delegierter aus Kanada.

ARD, Deutscher Kulturrat und Heinrich-Böll-Stiftung betonen die wichtige Rolle der kulturellen Vielfalt als Faktor der Identitätsstiftung und der nachhaltigen Entwicklung. Der Schutz der audiovisuellen und kulturellen Dienstleistungen wird angesichts des Drucks einiger Handelspartner zur Öffnung des Marktes und der Unumkehrbarkeit von Handelsliberalisierungen immer dringlicher. Die Verlockung, bei internationalen Verhandlungen aus kommerziellen Erwägungen Zugeständnisse zu Lasten des audiovisuellen Sektors und der kulturellen Vielfalt zu machen, bleibt bestehen.

In Cancún werden Nicht-Regierungsorganisationen aus aller Welt parallel zur 5. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) (10. - 14.9.2003) auf die Gefährdung der kulturellen Vielfalt durch die Handelsliberalisierung aufmerksam machen. Auf der Tagesordnung der WTO-Minister steht auch das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS), wozu auch kulturelle und audiovisuelle Dienstleistungen gezählt werden.

Weitere umfassende Informationen: www.cancun2003.org

Rückfragen: WDR-Pressestelle, Gudrun Hindersin
Tel. 0221/220-2406