Sir Neville Marriner und die Academy of St Martin in the Fields beschließen das Beethovenfest Bonn 2010 am Samstag in der ausverkauften Beethovenhalle mit Ludwig van Beethovens Symphonie Nr. 7. Zuvor dirigiert Marriner Zoltan Kodálys „Tänze aus Galanta“ und Antonín Dvořaks Violinkonzert mit der erst 21-jährigen deutschen Geigerin Veronika Eberle.
Seit dem 10. September bot das Beethovenfest Bonn 2010 unter dem Motto „Ins Offene. Utopie und Freiheit in der Musik“ 67 Konzerte im Hauptprogramm, außerdem 83 Veranstaltungen im Rahmenprogramm, darunter Filmbeiträge, Installationen, Lesungen, ein Symposium, Konzerte und Workshops, viele zu kostenlosem Eintritt. Nach viereinhalb Wochen zieht das Festival eine positive Bilanz mit einer Auslastung von 86 Prozent. 45 Konzerte waren ausverkauft und auch das Rahmenprogramm zog Publikumsscharen an, insgesamt besuchten etwa 70.000 Gäste die Veranstaltungen.
„Einige Utopien sind während des diesjährigen Beethovenfestes Wirklichkeit geworden“, blickt Ilona Schmiel, Intendantin des Beethovenfestes, stolz zurück. Vier Uraufführungen, 15 Debüts sowie ungewöhnliche Konzertformate und Besetzungen bot das Beethovenfest Bonn 2010. Getreu dem diesjährigen Motto ermutigte das Festival Künstler, auf höchstem Niveau neue Formate auszuprobieren, tradierte Grenzen des Konzertrituals zu sprengen und unkonventionelle Ansätze zu suchen, mit musikalischem Material zu arbeiten.
Im Auftrag des Beethovenfestes übertrug Peter Ruzicka diesen Ansatz in ein neues Cellokonzert. Daniel Müller-Schott war der Solist der Uraufführung von „
ÜBER DIE GRENZE
“, Peter Ruzicka als diesjähriger „Composer and Artist in Residence“ dirigierte Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen. „
ÜBER DIE GRENZE
“ wird im Dezember erneut in Salzburg gespielt, auch die weiteren Auftragswerke des Beethovenfestes werden in die Spielpläne von Konzerthäusern und Festivals aufgenommen. „Das freut mich sehr, denn im Geiste Beethovens fühle ich mich verpflichtet, ein Repertoire des 21. Jahrhunderts zu schaffen“, erläutert Ilona Schmiel. Jörg Widmanns „Sommersonate“ für Violine und Klavier stellte der Komponist erst einen Tag vor der Uraufführung durch Renaud Capuçon und Frank Braley fertig, „das war zu Beethovens Zeiten Usus“. Die „Sommersonate“ fand beim Publikum ebenso großen Anklang wie die Uraufführung von Jan Müller-Wielands Melodram „Der Knacks“ nach dem gleichnamigen Buch von Roger Willemsen. Komponist und Autor traten als Dirigent und Rezitator zusammen mit dem Ensemble Resonanz bei der Premiere des von Beethovenfest Bonn, Ensemble Resonanz und NDR in Auftrag gegebenen Werkes auf.
Die vierte Uraufführung des Festivals spielten die 80 enthusiastischen Musiker der Sinfônica Heliópolis unter der Leitung ihres Dirigenten Roberto Tibiriçá im Rahmen des zehnten Orchestercampus von Deutscher Welle und Beethovenfest Bonn. Die Deutsche Welle hatte bei dem brasilianischen Komponisten André Mehmari ein neues Werk für Orchester in Auftrag gegeben, das dieser nach der Heimatstadt des Orchesters, der Favela Heliópolis in Sao Paulo, benannte: „Cidade do Sol“. Die Sinfônica Heliópolis ist das Orchester des Instituto Baccarelli, das nach dem Vorbild des venezolanischen „Sistema“ Jugendlichen eine musikalische Ausbildung und ein soziales Netzwerk bietet. Die jungen Brasilianer im Alter von 16 bis 26 Jahren begannen ihre erste Tournee außerhalb Südamerikas mit zwei Konzerten beim Beethovenfest Bonn, im Anschluss gastieren sie in Berlin, Dresden, München, Amsterdam und London. Die Tour geht auf die Initiative des Beethovenfestes Bonn zurück, ebenso wie die erste Europatournee des Teresa Carreño Youth Orchestra of Venezuela. Die 180 jungen Venezolaner rissen unter der Leitung des 26-jährigen Christian Vasquéz das Publikum beim Beethovenfest zu Begeisterungsstürmen hin. Aufgrund der langjährigen engen Beziehungen zwischen Beethovenfest Bonn und dem venezolanischen „Sistema“ begann das Teresa Carreño Youth Orchestra of Venezuela seine erste Tournee in Bonn, weitere Auftritte folgen in Wien, Berlin, Amsterdam, Madrid und London.
Gründer des „Sistema“, aus dem das Teresa Carreño Youth Orchestra of Venezuela stammt, ist Dr. José Antonio Abreu. Abreu hat die Schirmherrschaft des Beethovenfestes Bonn 2010 übernommen, da sein Sistema das Motto eindrucksvoll und vorbildhaft verkörpert: Abreu hatte vor 35 Jahren eine Utopie vor Augen, die Wirklichkeit geworden ist.
Utopisch wäre vor fünf Jahren auch Martin Grubingers diesjähriger Auftritt beim Beethovenfest gewesen. 2006 entwickelte er zusammen mit dem Festival eine mehrstündige perkussive Reise um die Welt, den „Percussive Planet“, der seitdem international Erfolge feiert. Für das Festival 2010 erarbeitete er exklusiv für und mit dem Beethovenfest erneut ein außergewöhnliches Konzertformat: Im ersten Teil seines Konzertes verteilten sich Grubinger und fünf weitere Schlagzeuger rund um den Saal der Beethovenhalle, sodass bei Werken von Iannis Xenakis ein Surround-Klang entstand. Im zweiten Teil luden Grubinger und seine Musiker zu einer „Latin Lounge“ in das Forum Süd ein.
Die Freiheit, Programme individuell und exklusiv zu gestalten, lebt das Beethovenfest insbesondere mit Musikern aus, die ihm seit Jahren verbunden sind. Dazu gehören neben Martin Grubinger auch Hélène Grimaud als diesjährige „Artist in Residence“ sowie Lisa Batiashvili, Paavo Järvi, Kent Nagano, Sol Gabetta und Daniel Hope. Den Auftritt von Daniel Hope hatten zehn Schülermanager des Jungen Beethovenfestes von Februar an organisiert. Die Schülermanager fanden gemeinsam mit dem Geiger in der Rockband Bakkushan den musikalischen Partner für das Konzert. Unter dem Titel „BaRock“ überzeugten Hope, sein Barock-Ensemble und Bakkushan das Publikum in der Straßenbahnhalle Dransdorf davon, dass Barockmusik die Rockmusik der damaligen Zeit war und die Musik des 17. und 18. Jahrhunderts mit aktuellen Chart-Hits viel gemeinsam hat. Das Konzert vermarkteten die Jugendlichen auch über Web 2.0 und ließen Fans auf Facebook, Twitter und Youtube in einer Live-Reportage den Konzerttag miterleben.
Das Konzert Daniel Hopes zeigt einen weiteren Aspekt der Festival-Philosophie: Die persönliche und innovative Programmgestaltung der Künstler beim Beethovenfest findet ihre Entsprechung in der Freiheit, die musikalischen Partner auf die Wünsche an das jeweilige Programm hin auswählen zu können und sich immer wieder in anderen Konstellationen zusammenzufinden.
Viele der Ensembles, die regelmäßig beim Beethovenfest gastieren und diesem langjährig eng verbunden sind, musizieren seit Jahren erfolgreich zusammen. Dazu zählen die Academy of St Martin in the Fields und Sir Neville Marriner, die Bamberger Symphoniker und Jonathan Nott, András Schiff und die Capella Andrea Barca, Paavo Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, die erneut „Orchestra in Residence“ war, Kent Nagano und das Bayerische Staatsorchester, Daniele Gatti und das Orchestre National de France sowie Enoch zu Guttenberg und seine Ensembles Chorgemeinschaft Neubeuern und Orchester der KlangVerwaltung.
Sensationell gerieten die Debüts des jungen Geigers Sergei Khachatryan und des Cellisten Jan Vogler beim Beethovenfest Bonn. Erstmals und bejubelt beim Festival gastierten außerdem die Pianisten Gabriela Montero, Piotr Anderszewski und Kit Armstrong, die Geigerin Veronika Eberle, der Cellist Daniel Müller-Schott, die Sopranistin Mojca Erdmann, die Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager, Sasha Waltz & Guests sowie The Knights und Spark – Die klassische Band. Auch Sir Colin Davis gab sein Debüt beim Beethovenfest Bonn 2010.
„Um dieses Niveau halten und die seit Jahren positive Entwicklung fortführen zu können, haben die Künstler und das Publikum ebenso wie das Beethovenfest einen angemessenen, erstklassigen Konzertsaal verdient. Mittelfristig können wir Stars und Neuentdeckungen und ein herausragendes Programm nur in einem neuen Festspielhaus Beethoven bieten“, appelliert Ilona Schmiel an die Stadtspitze, das Projekt Festspielhaus Beethoven nachdrücklich weiterzuverfolgen. „Der 250. Geburtstag Beethovens 2020 ist ‚übermorgen, die Politik muss schnell und konsequent ihren Versprechen nachkommen.“
Das Beethovenfest Bonn 2011 findet vom 9. September bis 9. Oktober 2011 statt. Im Liszt-Jahr blickt das Beethovenfest auf seine lange Tradition zurück: 1845 organisierte Franz Liszt zur Einweihung des Beethoven-Denkmals auf dem Münsterplatz anlässlich des 75. Geburtstags des Komponisten ein dreitägiges Musikfest. Erste Konzerthighlights und die Sonderkonzerte im Frühjahr 2011 gibt das Beethovenfest Bonn Ende November bekannt, das vollständige Programm wird im März 2011 vorgestellt.
Absätze
Quelle
http://www.beethovenfest.de