Das Erich Pommer Institut (EPI) präsentierte am 27. April den 5. Kongress Urheberrechtspolitik, der sich mit Entwicklungen in der Urheberrechtspolitik zu Künstlicher Intelligenz in Deutschland und Europa auseinandersetzte. In Panels und Vorträgen diskutierten führende Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft Regelungsbedarf und rechtliche Rahmenbedingungen im Hinblick auf Künstliche Intelligenz (KI). Ziel der Online-Veranstaltung war es, zu informieren und Impulse für die Exekutive und Legislative zu geben. Das Grußwort sprach Prof. Dr.-Ing. Jörg Steinbach, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg.
Die Veranstaltung fand in Kooperation mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg und der Senatskanzlei Berlin statt und wurde vom Medienboard Berlin-Brandenburg gefördert. Als einziges unabhängiges Forum zu urheberrechtspolitischen Themen am Medienstandort Berlin-Brandenburg ist der in regelmäßigen Abständen stattfindende Kongress ein fester Termin auf der urheberrechtspolitischen Agenda.
Erst kürzlich legte die Europäische Kommission einen Verordnungsvorschlag zu KI im Allgemeinen vor. Doch welche Chancen und Risiken birgt die Technologie für Kunst und Kultur? In ihrer Keynote "Künstliche Intelligenz: Gesellschaftliche Relevanz und Ethikfragen“ fasste Tabea Rößner (Sprecherin für Netzpolitik und Verbraucherschutz der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) alle Aspekte der laufenden Diskussion zusammen: Ist KI Innovationstreiber oder reproduziert sie durch Empfehlungsalgorithmen nur alte Inhalte? Birgt sie die Gefahr, politische Meinungsbildung zu sehr zu beeinflussen und damit eine demokratische Diskussionskultur zu erschweren? Nur ein kohärentes Regulierungsregime könne allen Aspekten gerecht werden. Dazu bedürfe es einer stärkeren Kooperation durch mehr Offenlegung zwischen den Intermediären, Politik und Wissenschaft.
Dr. Johannes Christian Wichard (Leiter der Unterabteilung III B im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz) und Prof. Dr. Christian Heinze (Univ.-Professor, Universität Heidelberg) erläuterten in "Einführung in KI und Urheberrecht – Schöpfung durch künstliche Intelligenz?“ die Detailebene des aktuellen Rechts und blickten auf einen möglichen Anpassungsbedarf. Insbesondere stellten sie heraus, dass ein Schutz als echtes urheberrechtliches Werk nur dann in Frage komme, wenn ein ausreichender menschlicher Anteil in der KI-Leistung enthalten ist. Reine KI-Leistungen ohne menschlichen Input seien allenfalls als sogenanntes Leistungsschutzrecht geschützt. Bei den Leistungsschutzrechten gebe es allerdings auch kein lückenloses Netz für reine KI-Leistungen. Dr. Wichard stellte heraus, dass es derzeit keine Anzeichen für neuen Regelungsbedarf gebe, jedoch sei mehr wirtschaftliche Forschung zur Ermittlung von Schutzlücken angebracht. Über allem stehe die Frage des ökonomischen Anreizes und ob Markversagen vorliege. Die Einschätzungen seitens der Wissenschaft und des Ministeriums waren dahingehend kongruent.
Mit "KI und DSM – Text- & Data-Mining-Schranke“ beschäftigte sich die Keynote von Prof. Dr. Benjamin Raue (Univ.-Professor, Universität Trier). Er zeigte auf, dass mit der Umsetzung der Text- und Data-Mining Ausnahmen in deutsches Urheberrecht, ein solider Rahmen für die Entwickler und Betreiber von KI-Systemen bestehen werde, ihre KI-Systeme auch mit urheberrechtlich geschützten Inhalten zu trainieren. Er wies dabei darauf hin, dass für KISysteme für nicht-kommerzielle Forschungszwecke die Ausnahme für Text- & Data-Mining sehr viel großzügiger ausfalle als für kommerzielle KI-Systeme. Die Regelungen im deutschen Urheberrechtsgesetz werden voraussichtlich im Sommer dieses Jahres in Kraft treten.
Im ersten Panel des Kongresses zum Thema "Anwendungsfälle von KI in der Medienwirtschaft. Urheberrechtlicher Regelungsbedarf?“ diskutierten René Houareau (Geschäftsführer Recht & Politik, Bundesverband Musikindustrie e.V.), Ramak Molavi (Rechtsanwältin für digitale Rechte und Policy Advisor, The Law Technologist) und Tobias Queisser (Mitbegründer & Geschäftsführer, Cinelytic). Queisser, dessen Firma KI zur Ermittlung und Abwägung unternehmerischer Risiken in der Filmproduktion anbietet, versteht KI als Hilfstool zur Entscheidungsfindung in der Filmproduktion und Filmverwertung. Ob KI als Innovationstreiber fungieren könne, liege daran, wie man die Technologie einsetze. Man könne durch KI-Analysebereiche anhand einer Vielzahl von Faktoren viel genauer betrachten als bei klassischen Analysen (z.B. das Heranziehen einiger Vergleichsfilme). KI könne so auch die Kreation originären Contents unterstützen. Künstlerische Bereiche wie das Drehbuchschreiben klammerte er als sinnvolle Anwendungsbereiche aus. Die Optimierung der Arbeit eines Line-Producers dagegen könne durch KI unterstützt werden. Molavi sieht KI im Bezug auf Innovation und Kunst eher kritisch. KI belohne den Mainstream, denn die Daten stammten aus der Vergangenheit. Ein "Out of the box“-Denken sei damit nahezu ausgeschlossen und Nischen unterrepräsentiert. Diversität sei durch den "KI-Bias“ erschwert. Generell gebe es wenige problemlose Anwendungen, denn auch bei Musik-Streaming-Diensten könnten durch den Algorithmus ungerechte Strukturen entstehen, die sich bei Ausschüttungen an Künstler*innen bemerkbar machten. Gefragt nach den Auswirkungen einer stärkeren gesetzlichen Regulierung von KI für die Standortwahl berichtete Houareau, Musikunternehmen hätten dies hinsichtlich der TDM-Schranke genau im Blick.
Im Wissenschaftspanel "Stellungnahme der Politik und Wissenschaft zu Positionen aus der Wirtschaft“ diskutierten im Anschluss Dr. Johannes Christian Wichard, Prof. Dr. Christian Heinze, Prof. Dr. Benjamin Raue mit Prof. Dr. Eva Inés Obergfell (Univ.-Professorin, Humboldt Universität zu Berlin). Obergfell stellte klar, dass das Urheberrecht nicht nur einen wirtschaftlichen Anreiz bilde, sondern auch eine kulturfördernde Funktion habe. Ein Schutz durch Urheberrecht könnte zu einem Qualitätssiegel für einen hinreichenden menschlichen Input werden. Auch eine genaue Definition von Kreativität und somit auch die Frage, ob eine weiterentwickelte KI-Leistung Kunst ist, sei nötig. Dies müssten zunächst auch andere Wissenschaftsdisziplinen diskutieren. Gesetzliche Regelungen zu KI müssten ganzheitlich betrachtet werden, z.B. sollte auch der Datenschutz einbezogen werden. Raue plädierte dafür, das Leistungsschutzrecht für KI-Erzeugnisse heranzuziehen, ansonsten drohe eine Verkomplizierung des Urheberrechts (Suche nach der "menschlichen Spur“). Houareau sah den Leistungsschutz für KI eher skeptisch. Heinze betonte, die TDM-Schranke sei zu eng gefasst. Eine zu restriktive Gesetzgebung könne Analyse-Prozesse aus Europa vertreiben. Raue stelle fest, die TDM-Schranke gehe in die richtige Richtung, wies aber hinsichtlich des Umgangs mit Referenzkorpora auf einen Wettbewerbsnachteil in der EU hin. Eine Diskriminierung durch KI hänge von den Trainingsdaten ab. Vielleicht könne dies durch Extended Collective Licensing (ECL) geklärt werden. Wichard fasste zusammen, die Überprüfung des fortlaufenden Rechts sei nie abgeschlossen. Man müsse die Entwicklungen von KI am Markt genau beobachten und prüfen, ob überhaupt ein Marktversagen bestehe, das eine Ausdehnung des Schutzes für KI-leistungen über das aktuelle Niveau hinaus rechtfertige. Es müsse zu einer Regelung auf internationaler Ebene kommen. Wie sieht kreative Arbeit in den nächsten Jahren aus? Gibt es Anreizlücken, die man durch Regulierung schließen muss?
Durch den Kongress führten die inhaltlich verantwortlichen juristischen Direktoren des EPI Prof. Dr. Jan Bernd Nordemann, LL.M. und Prof. Dr. Ulrich Michel, beide Rechtsanwälte in Berlin.
Eine Aufzeichnung von Ausschnitten der Veranstaltung ist demnächst unter www.epi.media/urheberrechtspolitik verfügbar.