Die Tage Neuer Musik in Weimar widmen sich seit ihrer Gründung 1988 jedes Jahr einem speziellen Thema. 2012 lautet es: „Avantgarde und Spiritualität“. In sieben Konzerten und einer Filmpremiere wird der Versuch unternommen, sich auf unterschiedliche Weise dem Motto zu nähern. Spiritualität bedeutet Geistigkeit. Diese kann sich auf Geistiges aller Art oder auf Geistliches in spezifisch religiösem Sinn beziehen.

John Cage und Karlheinz Stockhausen haben immer wieder darauf verwiesen, dass ihr Gesamtwerk religiös zu verstehen sei. Während Stockhausen Musik als „Flugschiff zum Göttlichen“ bezeichnete, betonte Cage, dass sich diese wieder „göttlichen Einflüssen“ öffnen solle. Sein berühmtes, nur aus Pausen bestehendes Stück „4’ 33’’“ trug ursprünglich den Titel „Silent Prayer“ (Stilles Gebet).

Im Eröffnungskonzert “Auf der Suche nach dem Absoluten” spielt der Berliner Pianist Frank Gutschmidt neben Werken von Cage, Stockhausen und Allain Gaussin die Uraufführung von Paul-Heinz Dittrichs “Klaviermusik X” (2010), die sich auf das berühmte Poem "Un Coup de Dés" (Ein Würfelwurf) von Stéphane Mallármé bezieht und in ihrer Komplexität höchste Anforderungen an den Interpreten stellt.

Als „Composer/Performer in Residence“ wurde Michael Vetter (München) eingeladen, der durch seine Kunst des Oberonsingens und seine experimentellen Vokalimprovisationen internationale Berühmtheit erlangt hat. In einem Solokonzert präsentiert er sein “Missale dei Venti” als “konzertante Meditation über die Transparenz der Klänge”. Außerdem bringt er gemeinsam mit der Sängerin Natascha Nikeprelevic (Köln) und dem “Ensemble für Intuitive Musik Weimar” (EFIM) seine Komposition "sola fide" (“allein durch Glauben”) zur Uraufführung, in der die Mitwirkenden “zu tollkühnen Grenzüberschreitungen” animiert werden.

Zu den Höhepunkten dürfte das Gastspiel des weltweit gefeierten “Ensemble de Musique Interactive” (Frankreich) gehören, das Einblicke in das aktuelle Schaffen von von Nina Young, Kaija Saariaho, Jacopo Baboni Schilingi, Orjan Sandred und Hans Tutschku gewährt.

Mit Spannung darf das Zusammenspiel des “Ensembles für Intuitive Musik Weimar” mit der jungen Gruppe “Dandy Desmond Doping Tour” erwartet werden, die nicht nur den Jubilar John Cage (100. Geburtstag) ehren, sondern auch ein Werk seines Schülers Christian Wolff aufführen, der dem Meister eine Ausgabe des chinesischen Orakelbuches “I Ging” schenkte und damit zur Komposition mit Zufallsoperationen anregte.

In zwei Konzerten mit elektoakustischer Musik erklingen neben Werken der Altmeister Karlheinz Stockhausen (“Gesang der Jünglinge”), Francis Dhomont und Francois Bayle Kompositionen von Kompositionsstudenten, wobei das Lautsprecherorchester des Studios für elektroakustische Musik (SeaM) zum Einsatz kommt. Hier wird Harvardprofessor Hans Tutschku (Boston) im Vorfeld ein Seminar halten.

Der Film “Auf der Suche nach der Zukunft” über Integral-Art und die Philosophie des Komponisten Johannes Wallmann erlebt im Rahmen des Festivals seine Premiere.