Mit einem neuen Besucherrekord endete das Klavier-Festival Ruhr 2007: Rund 59.000 Besucher – und damit 18 % mehr als 2006 – erlebten innerhalb von zehn Wochen 88 Konzerte in 17 Städten auf 33 Bühnen. 97 Pianisten aus 25 Nationen führten mehr als 300 Kompositionen auf. Das Festival führte unter dem Motto „Mozarts Erbe: Ludwig van Beethoven“ beinahe das gesamte Klavierwerk des in Bonn geborenen Komponisten auf, darunter alle fünf Klavierkonzerte (mit Daniel Barenboim und der Staatskapelle Berlin), alle 32 Klaviersonaten sowie die drei frühen Bonner „Kurfürstensonaten" (gespielt von 26 verschiedenen Interpreten).

Die diesjährigen Exklusivreihen erlaubten jeweils die intensive Auseinandersetzung mit einem Künstler: Robert Levin bot in Lectures und Konzerten faszinierende Einblicke in das Werk Ludwig van Beethovens, dessen fünf Klavierkonzerte brachten die Staatskapelle Berlin und Daniel Barenboim (als Solist und Dirigent) zur Aufführung („Glücklich jene, die dabei waren“, überschrieb die Westdeutsche Allgemeine Zeitung am Ende ihre Kritik). Andreas Staier, einer der bedeutendsten Cembalisten und Hammerklavier-Virtuosen der Welt, war an drei Abenden in Bottrop als Solist, Kammermusiker und Liedbegleiter zu erleben und Marc-André Hamelin, der Solo und zusammen mit den Bochumer Symphonikern unter Steven Sloane zu hören war, spielte mit stupender Technik und faszinierender Geschwindigkeit Repertoire-Raritäten.

Mit seinem langjährigen Weggefährten Gary Burton (Vibraphon) kehrte der seit mehr als 30 Jahren stilprägende Jazzpianist Chick Corea zum Klavier-Festival Ruhr zurück. In der Düsseldorfer Tonhalle und in der Alfred-Fischer-Halle in Hamm rissen die beiden Musiker ihr Publikum zu Jubelstürmen und Pfeifkonzerten hin. „Michel Camilo lässt den Flügel brennen“ titelte die Westfälische Rundschau ihren Bericht über die fünfte und letzte Exklusiv-Reihe des Klavier-Festivals Ruhr 2007. In vier Konzerten in Folge (mit Tomatito, im Trio und als Solist) zeichnete das Wochenende das facettenreiche Porträt eines Künstlers, bei dem sich alle Seiten zu einem organischen Ganzen fügen, „in einer Mischung aus Explosivität und Disziplin, die staunen macht.“ (NRZ)
Schon ab 9 Uhr morgens standen die ersten Fans vor der Essener Philharmonie Schlange, um für das Festival- und Ruhrgebiets-Debüt von Keith Jarrett und seinen Triopartnern Gary Peacock (Bass) und Jack DeJohnette (Drums) noch einen Stehplatz zu ergattern. Wer durch Geduld sein Ziel erreichte, erlebte zwei rund 45-minütige Sets: „Man kann sich nicht satthören, wenn Jarrett Thelonius Monks ,Straight no chaser’ ausfransen lässt oder am verspielten Dreiertakt von ,Someday my Prince will come’ entlang improvisiert“, schrieb die FAZ in ihrer Besprechung des umjubelten Abends, der nach ausdauernden Klatschmärschen mit zwei Zugaben endete.

Auch im 19. Jahr seines Bestehens hat Zeitgenössisches seinen Platz beim Klavier-Festival Ruhr. 15 Ur- und Erstaufführungen kamen 2007 zur Aufführung. Unter den zehn Uraufführungen beim Klavier-Festival Ruhr 2007 finden sich die „Goethe-Lieder“ von Wolfgang Rihm, die Klavier-Skizzen „Parergon“ von Peter Ruzicka, Auftragskompositionen von Chen Yi, Jan-Müller Wieland und Michael Denhoff sowie „Lieder und Balladen nach Mörike“ von Wilhelm Killmayer, den Siegfried Mauser aus Anlass seines 80. Geburtstages besonders würdigte. Zu den Erstaufführungen gehören Werke von Yehudi Wyner, Bernard Rands, George Benjamin, Sebastian Themessl und ein Solo-Klavierwerk von Kaija Saariaho.

Insgesamt neun Konzerte des Klavier-Festivals Ruhr 2007 sind dank der Hörfunk-Aufzeichnungen von WDR 3 nochmals am heimischen Radioapparat zu hören. In der Reihe „WDR 3 – Das Konzert“, die jeweils um 20.05 Uhr beginnt und um 22.30 Uhr endet, ist am 28. August das Konzert von Marc-André Hamelin mit den Bochumer Symphonikern unter der Leitung von Steven Sloane noch einmal zu erleben. Zu einem späteren Zeitpunkt werden auf der Homepage des Klavier-Festivals Ruhr (www.klavierfestival.de) die Termine für die Ausstrahlung des Eröffnungskonzerts mit dem Solisten-Trio Adrian Brendel, Mirijam Contzen und Herbert Schuch sowie der Konzerte mit Robert Levin, Alexander Lonquich, Alexander Markovich, Gwilym Simcock, Christopher Tainton und dem Klavierduo Tal/Groethuysen bekannt gegeben.

Erstmals präsentierte das Klavier-Festival Ruhr das im Vorjahr begründete Education-Programm des Initiativkreises Ruhrgebiet der Öffentlichkeit. Mehr als 200 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene wurden dabei künstlerisch aktiv und präsentierten die Resultate ihrer Arbeit in Dortmund, Düsseldorf, Duisburg und Essen vor mehr als 2000 Besuchern.
Beim Discovery-Projekt 1 – „Aus der Tiefe des Meeres“, das gemeinsam mit den Bochumer Symphonikern durchgeführt wurde, entwickelten 63 Drittklässler aus Bochum, Duisburg und Essen in einer Reihe von Workshops mit Orff-Instrumenten ihre eigene Natur- und Raummusik. Studierende der Folkwang-Hochschule und Oberstufenschüler des Gymnasiums Essen-Werden haben beim Discovery-Projekt 2 – „Remix“ in Workshops und einer intensiven Probenphase sehr unterschiedliche Formen des „Remix“ entwickelt, die sich mit der Musik der Beatles auseinandersetzen und ihre Ergebnisse im Foyer des Konzerthauses Dortmund aufgeführt.
Zum farbenprächtigen Dschungel hatten verschiedene Grundschul-Klassen die Essener WeststadtHalle bei zwei ausverkauften Familienkonzerten geschmückt. Fast 70 Kinder standen beim Discovery-Projekt 3 – Im Dschungel mit Katia & Marielle Labèque auf der Bühne: Sämtliche Hauptrollen bei diesem Gemeinschaftskonzert mit der Folkwang Musikschule wurden dabei von Kindern übernommen.
Die kreative Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik stand im Zentrum des Discovery-Projekts 4: Schüler und Lehrer der Folkwang Musikschule und Studierende der Folkwang Hochschule beschäftigten sich mit George Benjamins Piano Figures, zehn konzentrierten Klavierminiaturen. Parallel dazu hat Pierre-Laurent Aimard das Werk mit vier Pianisten seiner Klasse an der Hochschule für Musik in Köln erarbeitet und bei einem Gesprächskonzert im Düsseldorfer Robert-Schumann-Saal präsentiert.