Die neue Präsidentin der Kultusministerkonferenz, die rheinland pfälzische Staatsministerin Doris Ahnen, hat zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung im Bildungsbereich aufgerufen. „Die von der Kultusministerkonferenz eingeleiteten Reformen müssen jetzt entschlossen und zügig umgesetzt werden“, sagte Ahnen am Mittwoch bei ihrem offiziellen Amtsantritt im Bundesratsgebäude in Berlin. Ahnen forderte dazu auf, trotz der angespannten finanziellen Lage der öffentlichen Haushalte den Handlungsspielraum für Investitionen in den Bildungsbereich zu erhöhen. „Deutschland muss seine gesellschaftlichen Ressourcen nutzen, um mehr in die Köpfe zu investieren, also in die Begabungen und Fähigkeiten der nachwachsenden Generationen“, betonte Doris Ahnen.
„Mit den Bildungsstandards geben wir den Schulen klare Ziele vor, um die Qualität ihrer Arbeit zu erhöhen. Sie sind Teil eines Dreiklangs, der sich in vielen anderen Ländern bewährt hat: Mehr Selbständigkeit für die einzelnen Schulen, gemeinsame Standards und regelmäßige Überprüfung“, betonte Ahnen. Auch die konkrete Anwendung des erlernten Wissens rücke so in Schulen stärker in den Vordergrund. Zu einer veränderten Lehr- und Lernkultur gehört nach den Worten der neuen Präsidentin aber vor allem, Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern und zu fordern. Dazu sei es nicht nur notwendig, Lehrpläne zu ändern, die Schulentwicklung neu zu gestalten sowie die Lehreraus- und –fortbildung zu modernisieren. „Wir wollen die Schulverwaltungen und Schulleitungen, die Lehrerkollegien und, für mich besonders wichtig, nicht zuletzt die Eltern und die Schülerinnen und Schüler für den eingeschlagenen Reformweg gewinnen.“ Ahnen forderte alle Beteiligten auf, an der zügigen Umsetzung der Reformen mitzuwirken, machte aber auch deutlich, dass die eingeleiteten Maßnahmen erst in einigen Jahren zu den erhofften Ergebnissen führen würden.
Um die Einhaltung der Standards länderübergreifend zu überprüfen, wird die Kultusministerkonferenz ein unabhängiges "Wissenschaftliches Institut der Länder zur Qualitätssicherung" gründen. Dieses Institut wird bereits in diesem Jahr mit seiner Arbeit beginnen. „Der angestrebte Prozess der Qualitätsentwicklung im Bildungsbereich kann nur zum Erfolg geführt werden, wenn im Schulsystem regelmäßige Rückkopplungen zu einer Selbstverständlichkeit werden“, erklärte Ahnen. In diesem Zusammenhang sei auch eine kontinuierliche Bildungsberichterstattung zu sehen, die künftig alle zwei Jahre erfolgen soll. „Ebenso wird der von der KMK eingeschlagene Weg, das Schulsystem in Deutschland internationalen Vergleichen zu stellen, konsequent weitergegangen“, betonte Ahnen. So werden im Dezember 2004 die Ergebnisse der PISA-Studie 2003 vorgestellt und wird in diesem Jahr der Auftrag für den internationalen und nationalen PISA-Vergleich 2006 vergeben.
Zu aktuellen Berichten über die „Internationale Grundschullese-Untersuchung (IGLU)“ stellte die KMK-Präsidentin fest, dass Deutschland auf Beschluss der Kultusministerkonferenz ebenso wie 34 andere Staaten auch an dieser Studie teilgenommen habe. Ein Bundesländervergleich sei dabei nicht geplant gewesen. Sieben Bundesländer hätten aus unterschiedlichen Interessenlagen erweiterte Stichproben bei der IGLU-Projektleitung in Auftrag gegeben und sich darauf verständigt, die Ergebnisse in einem Bericht zusammenzufassen. Die Ergebnisse werden von den beteiligten Ländern und dem wissenschaftlichen Konsortium Ende Januar vorgestellt.
Im Hochschulbereich werden die Arbeiten zur Schaffung eines europäischen Hochschulraumes mit den gestuften Studiengängen (Bachelor und Master) und der Qualitätssicherung durch die Akkreditierung von Studiengängen fortgesetzt. Dies diene der Vergleichbarkeit der Abschlüsse und fördere den wissenschaftlichen Austausch und die Mobilität von Akademikerinnen und Akademikern, so Ahnen. Die Präsidentin erinnerte daran, dass die Kultusministerkonferenz bereits die Weichen für eine Reform der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung gestellt habe, die sich stärker an Bachelor- und Masterstrukturen orientieren werde. „Alle Länder sind sich einig, dass Lehramtsstudierende frühzeitig mit der pädagogischen Praxis in Berührung kommen müssen,“ betonte die KMK-Präsidentin.
Ebenso dürfe Deutschland nicht in den Anstrengungen nachlassen, die internationale Konkurrenzfähigkeit seiner Hochschulen zu stärken. An vielen deutschen Hochschulen würden bereits seit Jahren neben einer guten Breitenförderung anerkannte Spitzenleistungen in einzelnen Fach- und Forschungsbereichen erbracht. „Die große Stärke des deutschen Hochschulsystem ist die gute Qualität in der Breite. Breiten- und Spitzenförderung stehen zueinander nicht in Widerspruch, sondern bedingen sich gegenseitig“, sagte Ahnen. Ein offensives Darstellen der Spitzenleistungen an deutschen Hochschulen im internationalen Vergleich und ein gezielter Ausbau der Förderung sei vernünftig.
Als einen weiteren Arbeitsschwerpunkt kündigte die neue Präsidentin an, die Schnittstellen im Bildungssystem in den Blick zu nehmen. „Eine Bildungsbiographie beginnt nicht mit dem ersten und endet nicht mit dem letzten Schultag.“ Frau Ahnen kündigte eine stärkere Zusammenarbeit mit der Jugendministerkonferenz an, wie der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Kindertagesstätten mit demjenigen der Grundschule besser verzahnt und die Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen vertieft werden könnten. Wichtige Schnittstellen seien auch der Übergang von der Schule in die berufliche Bildung und von der Schule in die Hochschule, so Ahnen. „So erscheint es mir sinnvoll, Schulabgängerinnen und Schulabgänger noch gezielter auf ihre berufliche Zukunft vorzubereiten und ihnen einen frühzeitigen Einblick in das Berufsleben oder die Hochschulen zu geben. Kinder und Jugendliche sollten Schnittstellen im Bildungssystem in der Zukunft weniger als Einschnitte empfinden, sondern sie als fließende Übergänge wahrnehmen.“
Intensivieren will die Kultusministerkonferenz in diesem Jahr die Zusammenarbeit zwischen dem Schul- und dem Kulturbereich. „Gerade vor dem Hintergrund eines Ausbaus der Ganztagsschulangebote bietet sich eine Kooperation zwischen kulturellen Einrichtungen, Künstlerinnen und Künstlern und Schulen an“, sagte Ahnen. Ebenso werden sich die Kultusministerinnen und
–minister mit den Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Kulturlandschaft beschäftigen. „Unsere Aufgabe heißt, wie können wir in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche kulturelle Vielfalt nicht nur in den großen Städten, sondern auch in der Fläche sichern“, betonte die Präsidentin. Kunst und Kultur im lokalen und regionalen Umfeld, angeboten von leistungsfähigen und kreativen Einrichtungen, seien unverzichtbarer Bestandteil einer humanen Weiterentwicklung demokratischer Gesellschaften.
Ahnens Vorgängerin, die hessische Staatsministerin Karin Wolff, zog eine positive Bilanz ihrer Präsidentschaft 2003. Mit der Verabschiedung nationaler Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss und der Vorlage des ersten Bildungsberichts als Grundlage für ein umfassendes Bildungsmonitoring in Deutschland habe die Kultusministerkonferenz weitreichende Fortschritte für die Qualitätssicherung im Bildungsbereich erzielt. „Wir haben in 2003 zukunftsweisende Beschlüsse für die Qualitätsentwicklung an unseren Schulen und Hochschulen gefasst. Keines der Länder will und kann es sich leisten, bei diesem Reformprozess im Abseits zu stehen. Uns ist der Einstieg in die Vereinfachung der 16 Schulsysteme gelungen, ohne die Vielfalt und die Eigenständigkeit der Länder aufzugeben“, sagte Wolff.
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Quelle
http://www.kmk.org