Jedes Kind in Nordrhein-Westfalen soll künftig die Chance erhalten, ein Instrument zu erlernen. Deshalb soll das Programm „Jedem Kind ein Instrument“ im Ruhrgebiet fortgesetzt und in einem Prozess von etwa zehn Jahren auf das ganze Land ausgedehnt werden. Das gab der nordrhein-westfälische Staatssekretär für Kultur Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff heute (4. Mai 2010) in Düsseldorf bekannt. Grosse-Brockhoff: „Jedem Kind ein Instrument“ hat sich im Ruhrgebiet nicht nur bewährt. Es ist in dieser Form einzigartig in Europa. Wir wollen allen Kindern un­abhängig von ihrer sozialen Herkunft die Möglichkeit geben, ihre Kreati­vität zu entfalten.“ Grosse-Brockhoff zufolge wisse man, wie positiv ge­rade gemeinsames Musizieren auf Kinder wirke. Es förderte Motivation und Konzentration, soziale Kompetenz und Offenheit. Oberstes Prinzip für die landesweite Ausdehnung des Programms sei die Freiwilligkeit. Ziel sei eine Teilnahmequote von 80 Prozent. Zahlreiche Prominente unterstützen das Projekt, indem sie als Paten auftreten und einen Un­terstützerkreis gründen. Hierzu gehören Daniel Barenboim, Jürgen Flimm, Alexander Pereira, RuhrTriennale-Intendant Willy Decker, der Leiter der Schlossfestspiele Ludwigsburg Thomas Wördehoff und der Präsident des Deutschen Bühnenvereins Klaus Zehelein sowie die Journalisten Claus Kleber und Manni Breuckmann.

Grosse-Brockhoff zog eine positive Bilanz des Ruhrgebietsprojekts. „Je­dem Kind ein Instrument“ habe eine große Ausstrahlung und Signalwir­kung - nicht nur innerhalb Nordrhein-Westfalens, sondern bundesweit und sogar international. In den Bundesländern Hamburg, Hessen, Thü­ringen und Sachsen seien durch das nordrhein-westfälische Beispiel inspirierte Initiativen entstanden oder in Vorbereitung. Im Schuljahr 2009/10 nehmen insgesamt 43.300 Kinder aus 522 Grundschulen in 42 Kommunen des Ruhrgebiets am Projekt teil. 56 kommunale und private Musikschulen sind an dem Projekt beteiligt. Das von den Kindern mit Abstand am häufigsten gewählte Instrument ist die Gitarre, gefolgt von Violine, Flöte und Trompete. Im kommenden Schuljahr 2010/11 werden erstmals alle Erstklässler der teilnehmenden Grundschulen im Ruhrge­biet die Chance haben, ein Instrument zu erlernen. Erste Berechnungen gehen davon aus, dass dann insgesamt 64.000 Kinder mit dabei sind. Die Umsetzung des Programms „Jedem Kind ein Instrument“ kostet vom Schuljahr 2007/2008 bis zum Ende des Schuljahres 2010/2011 rund 47,23 Millionen Euro. Davon hat die Kulturstiftung des Bundes 10 Millio­nen Euro als Anschubfinanzierung übernommen. Die prognostizierten Kosten der Ausweitung für das Land steigern sich im Zeitraum 2012 – 2023 je nach landesweiter Abdeckung von etwa 19 Millionen Euro auf ca. 70 – 80 Millionen Euro (einschließlich Ruhrgebiet).

Aufgrund der bisher gemachten Erfahrungen soll das Projekt fortlaufend ausgebaut und modifiziert werden. Dazu hat die Landesregierung ein umfangreiches Konzept erarbeitet. Grosse-Brockhoff: „Die Veränderun­gen folgen vier Leitideen:

* Vor Ort soll mehr Gestaltungsfreiheit eingeräumt werden.
* Wir wollen, dass die Intensität und Qualität des Programms im Vorder­grund stehen.
* Wir wollen die Verankerung des Projektes in der Grundschule auch mit eigenen Beratungslehrern sicher stellen.
* Außerdem wollen wir die Voraussetzungen für die Gewinnung der benötigten Musikschullehrer verbessern.“

Das Tandem-Modell – Grundschullehrer und Musikschullehrer unter­richten im ersten Schuljahr gemeinsam - habe sich grundsätzlich be­währt und solle beibehalten werden.

Inhaltliche Veränderungen gegenüber dem bisherigen Konzept

* Die Kinder sollen mehr Zeit für den musikalischen Einführungsunter­richt und zum Kennenlernen der Instrumente haben. Dabei soll dem Singen mehr Raum gegeben werden. Der kostenlose JEKI-Unter­richt soll künftig erst nach einer Einführungsphase im 1. Schuljahrs beginnen (und nicht wie bisher sofort) und bis zum Ende des 2. Schuljahres dauern (bisher: nur 1. Schuljahr). In dieser Phase liegt ein Schwerpunkt beim Singen. Das heißt: Instrumentalunterricht soll erst ab dem 3. Schuljahr erteilt werden. Das geschieht nach wie vor in Gruppen, die aber mit maximal 4 Kindern kleiner werden. Parallel gibt es Ensembleunterricht (ca. 20 Kinder).
* Zukünftig können die Fächer „Singen“ und „Tanzen“ neben den Instrumenten angeboten werden. Nicht jedes Kind hat eine musische Begabung im Bereich des Instrumentalspiels, soll aber dennoch ge­fördert werden.
* Vor Ort soll mehr Gestaltungsfreiheit eingeräumt werden. Basismusikalisierungsprojekte, die es bereits gibt, sollen beim JEKI-Programm mitmachen können. Sie sollen ihren eigenen Weg entwi­ckeln können, der den JEKI-Zielen und –Ansprüchen gerecht werden muss.
* Elternbeiträge: 1. und 2. Schuljahr frei; 35 Euro im 3. und 4. Schul­jahr. Sozialhilfeempfänger / Hartz IV-Empfänger weiterhin frei (wird den Kommunen vom Land erstattet).
* Der Bedarf an Musikschullehrern steigt von ca. 660 in 2011 auf 3.556 in 2023 bei 15 JEKI-Stunden pro Woche). Wegen der erfor­derlichen Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen sind wir mit dem Wissenschaftsministerium und den Hochschulen im Gespräch.
* Die Kommunen werden durch die JEKI-Stiftung in Bochum unter­stützt, die für die zentrale Programmentwicklung und -steuerung auf Landesebene zuständig sein soll. Regionalberaterinnen und -berater der Stiftung werden eine Präsenz in den einzelnen Regionen ge­währleisten.
* Das Prinzip der Freiwilligkeit soll eine besondere Rolle spielen. Das gilt für jedes einzelne Kind, das gilt aber auch für eine Grund­schule oder eine Kommune.
* Die Verankerung des Projektes in den Grundschulen muss sicher­gestellt werden. JEKI soll einen breiten Rückhalt bei Schülern, Lehrern und Eltern in der jeweiligen Grundschule finden. Besonders die räumlichen und personellen Voraussetzungen müssen vorhan­den bzw. – soweit möglich - durch den Schulträger rechtzeitig und im notwendigen Umfang geschaffen werden. Jede Grundschule soll eine(n) JEKI-Beauftragte(n) erhalten, der je nach Größe der Grundschule 1-2 Entlastungsstunden erhält.
* Auch bei den Musikschullehrern sollen Tätigkeiten wie z.B. die Kom­munikation mit den Grundschulmitarbeitern und –Eltern als (be­zahlte) Arbeitszeit zusätzlich zur eigentlichen Unterrichtszeit in einem bestimmten Rahmen anerkannt und durch das Land dementspre­chend bezuschusst werden.

Absätze