Fast genau 200 Jahre nach seiner Uraufführung bringt das Staatstheater Cottbus Beethovens „Fidelio“ im Hof des ehemaligen Zuchthauses Cottbus vom 28. Juni bis zum 12. Juli zur Aufführung.

Dazu Kulturministerin Sabine Kunst: „Keine Oper steht so für das Thema Freiheit, wie der Fidelio. Das ehemalige Zuchthaus Cottbus steht ganz besonders für das System der Unterdrückung in der DDR. Ich freue mich, dass hier eine Zusammenarbeit eines wichtigen brandenburgischen Gedenkortes und eines bedeutenden Kulturträgers so gelungen ist, dass ein wirklich bemerkenswertes Ergebnis herausgekommen ist. Dass hier im 25.Jahr der Friedlichen Revolution die Oper der Freiheit in der Kulisse der Unterdrückung gespielt wird, berührt mich und macht mich dankbar gegenüber denen, die dieses Projekt angeschoben haben und jetzt umsetzen. Ich bin sicher, dass damit die tolle Arbeit des Staatsorchesters und das unermüdliche Engagement derer, die sich für die Gedenkstätte einsetzen, eine ganz neue Aufmerksamkeit erhalten werden.“

Sylvia Wähling, Geschäftsführende Vorsitzende des Menschenrechtszentrum Cottbus e.V. „Wir möchten grundsätzlich mit Kunst und Kultur viele Menschen erreichen und sie sowohl auf das früher begangene Unrecht als auch auf aktuelle Menschenrechtsfragen in der Welt aufmerksam machen. Das demokratische Bewusstsein der Bürger mit unseren Angeboten zu stärken, ist unser wichtigstes Ziel. Wir freuen uns, dass wir das Staatstheater Cottbus als kleiner Häftlingsverein für unsere Ziele gewinnen konnten und sind den Förderern dankbar, dass sie den Wert unserer Arbeit erkannten und uns dabei unterstützen.“

Der Intendant des Staatstheaters Cottbus, Martin Schüler: „Beethovens Utopie von befreiten Menschen ist an diesem Ort keine Utopie geblieben – das Gefängnis existiert nur noch als Gedenkstätte, die größtenteils politisch Inhaftierten sind frei. Einige von ihnen wirken in der Inszenierung im Chor mit.“

Gilbert Furian, ehemaliger Häftling: „Dass ehemalige politische Gefangene das Cottbuser Gefängnis kaufen konnten, hatte etwas befriedigend Ironisches; an diesem Ort aber heute zu singen "Sprecht leiser, haltet euch zurück, wir sind belauscht mit Ohr und Blick", wirkt wie eine zweite Befreiung aus demütigenden Verhältnissen.

Die Oper Fidelio gilt als DIE Freiheitsoper schlechthin. Es geht um den Sieg der Humanität über die Unmenschlichkeit, des Rechts über Willkür. Aufgeführt wird sie im Hof des ehemaligen Zuchthauses Cottbus, des ehemals bedeutendsten politischen DDR-Gefängnisses.

Erbaut wurde dies am Rande der Stadt Cottbus von 1857 bis 1860 und in späteren Jahren erweitert. Es diente als Männer-, Frauen- und Jugendgefängnis. Dies änderte sich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten, in deren Zeit die Haftanstalt zunächst Jugendgefängnis, dann Frauengefängnis und ab 1939 Frauenzuchthaus wurde. Der Anteil der politisch Inhaftierten stieg zwar stetig, blieb aber unter 50 Prozent.

Nach dem Wiederaufbau des im Krieg stark beschädigten Geländes wurde es 1945 zunächst durch die Justizverwaltung als Zentralgefängnis für 380 - 640 männliche und weibliche Häftlinge weiter betrieben. Aufgrund einer Justizreform erfolgte 1951 die Unterstellung dieses und aller Gefängnisse der DDR dem Ministerium des Innern. Zu diesem Zeitpunkt mussten hier ca. 900 Menschen unter katastrophalen Bedingungen ihre Haftstrafe verbüßen. Im Zusammenhang des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 wurden die Haftarbeitslager Preschen und Drewitz geräumt und die Häftlinge in die Haftanstalt Cottbus gebracht. Die Folge war eine Überbelegung. Über 3.000 Häftlinge wurden in drei Zelte im Hof des Gefängnisses untergebracht. Wegen dieser Überbelegung hat man ab dem Zeitpunkt die weiblichen Häftlinge aus Cottbus ausgelagert und nach Hoheneck im sächsischen Stollberg gebracht.

Die Belegung des unter normalen Verhältnissen auf 600 Häftlinge ausgerichteten Gefängnisses schwankte stark. Während es Mitte der 1970er Jahre mit ca. 1.200 Häftlingen erneut überbelegt war, sodass Vierstockbetten in den Zellen Normalität war, kann in den 1980er Jahren eher von einer Unterbelegung ausgegangen werden. Der Anteil der Politischen betrug durchschnittlich um die 80%. Ab Ende der 1960er Jahren saßen in Cottbus zumeist Republikflüchtlinge ein. Weitere Haftgründe lauteten „Staatsverleumdung“ und „staatsfeindliche Hetze“. Cottbus war das Freikaufsgefängnis der DDR schlechthin und damit das Devisenbringergefängnis. Der Anteil der Akademiker und Künstler war im Vergleich zu anderen Gefängnissen der DDR besonders hoch.

Für den Haftalltag waren bis zuletzt medizinische Unterversorgung, schlechte Ernährung und primitivste Haftbedingungen charakteristisch. Die Häftlinge mussten unter Zwang ab Mitte der 1960er Jahre und mit geringem Arbeitsschutz für die Dresdner Kamerawerke „Pentacon“ sowie VEB Sprela arbeiten. Ab 1990 wurde das Objekt vom Land Brandenburg als Justizvollzugsanstalt genutzt und 2002 geschlossen.

Der im Jahr 2007 gegründete Verein Menschenrechtszentrum Cottbus e.V. kaufte im Mai 2011 des 22.000 qm große Gefängnisgelände. Seit September 2012 ist im Hafthaus 1 nach einer einjährigen Sanierung die Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus eröffnet, seit Dezember 2013 gibt es dort die Dauerausstellung „Karierte Wolken – Politische Haft im Zuchthaus Cottbus 1933 – 1989“ zu sehen.