Beim Reeperbahn Festival in Hamburg wurde am gestrigen Abend der VIA verliehen – der Kritiker*innenpreis der unabhängigen Musikbranche. Acht herausragende Künstler*innen, Musikunternehmer*innen und Projekte wurden vom Verband unabhängiger Musikunternehmer*innen (VUT) ausgezeichnet. Der VIA würdigt musikalische Qualität und Innovation unabhängig von kommerziellem Erfolg.
Die Preisträger*innen des VIA 2025
- Beste*r Newcomer*in: Vandalisbin
- Bester Act: Masha Qrella
- Bestes Album: Ebow – "FC Chaya"
- Bestes Label: Grand Hotel van Cleef
- Bestes Experiment: Holly Herndon & Mat Dryhurst – “The Call”
- Best New Music Business: Aurismatic
- Sonderpreis: Frank Bull
- Indie-Axt: Helen Smith
Die feierliche Verleihung fand im Schmidts Tivoli statt – moderiert von Nina "Fiva" Sonnenberg. Musikalisches Highlight des Abends war der Liveauftritt von Sofia Portanet, die 2021 mit dem VIA als "Beste Newcomerin" ausgezeichnet wurde. Redebeiträge kamen unter anderem von Dr. Carsten Brosda, Hamburgs Senator für Kultur und Medien, sowie Dr. Birte Wiemann, Vorstandsvorsitzende des VUT.
Auch in diesem Jahr wählten sechs unabhängige Fachjurys – zusammengesetzt aus Expert*innen unterschiedlichster Hintergründe – die Preisträger*innen aus.
Die Preisträger*innen im Detail
Die Münchner Künstlerin Vandalisbin wurde als Beste Newcomer*in ausgezeichnet. Überreicht wurde der Preis von Ueli Häfliger und Winson vom Musikpodcast "Goldstückli" – selbst "riesengroße Fans" der Künstlerin und ihrer Songs im Spannungsfeld zwischen queerer Sexualität, Liebe, Gewalt und Selbstermächtigung.
Den Preis für den Besten Act erhielt Masha Qrella. Illustrator und Maler Chrigel Farner, der mit Masha Qrella schon lange in musikalischer Verbindung steht, würdigte die Künstlerin in seiner Laudatio als großzügige Person, deren Konzerte immer besonders feierliche Anlässe seien.
Mit einem Album voller queerer Lovesongs zwischen RnB und Cloud-Rap gewann "FC Chaya" der Rapperin Ebow den Preis für das Beste Album. In einer bewegenden Laudatio bezeichnete Rap-Kollegin Nebou vom Hamburger Kollektiv Bangerfabrique das Album als "Manifest" und "Soundtrack des Lebensgefühls queeren migrantischen Lebens".
Das Hamburger Label Grand Hotel van Cleef, gegründet 2002 von Marcus Wiebusch, Reimer Bustorff (beide Kettcar) und Thees Uhlmann (damals Tomte) wurde als Bestes Label ausgezeichnet. Laudator Oke Göttlich, u.a. Vereinspräsident des FC St. Pauli und Musikunternehmer, überreichte den Preis an das GHvC-Team.
Das Projekt "The Call" von Holly Herndon und Mat Dryhurst wurde als Bestes Experiment ausgezeichnet. Es erhebt die Erstellung von KI-Systemen selbst zur künstlerischen Praxis: Indem 15 Chöre Daten generieren, die über ein bewusst gestaltetes Data-Trust-Modell gerechte Kontrolle und Mitgestaltung ermöglichen, verbindet "The Call" künstlerische Experimentierfreude mit neuen Ansätzen ethischer Daten-Governance und kollektiver Kreativität. Die Künstler*innen meldeten sich per Videobotschaft aus Japan und bedankten sich bei der Jury während Matthias Strobel vom Verband MusicTech den Preis stellvertretend entgegennahm.
Aurismatic erhielt den VIA für Best New Music Business – das Unternehmen setzt mit seiner einzigartigen AI-basierten Monitoring-Lösung einen neuen Standard für Transparenz und Fairness im Live-Musikgeschäft. Durch die präzise Erkennung von Originalwerken, auch bei Cover- und Liveversionen, profitieren zahlreiche Akteur*innen der Branche von effizientem Reporting, gerechteren Ausschüttungen und einer verlässlichen Datenbasis. Den Preis überreichte Wolf-D. Schoepe (Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht) an Aurismatic-Gründer Oliver Pauly und sein Team.
Der VIA-Sonderpreis für besondere Verdienste für die unabhängige Musikbranche ging in diesem Jahr an Frank Bull (VOD-Records) für sein außergewöhnliches Engagement als Bewahrer und Chronist der unabhängigen Musikkultur. Laudator Ronny Krieger (VUT-Vorstand) erklärte, dass Bull seit über zwei Jahrzehnten mit visionären Editionen, unermüdlicher Leidenschaft und kritischer Stimme gegenüber der Branche das kulturelle Gedächtnis der DIY- und Independent-Szene prägt.
Die "Indie-Axt" ging an Helen Smith, Vorstandsvorsitzende des Europäischen Independent-Verbands IMPALA, die seit vielen Jahren als strategische Brückenbauerin zwischen Politik, Branche und unabhängiger Musikwelt wirkt. Mit Klarheit, Mut und Beharrlichkeit schlägt Helen Smith Wege durch Machtstrukturen und Markt-Konzentration frei und stärkt so ein pluralistisches, faires und zukunftsfähiges Musikökosystem. VUT-Geschäftsführer Jörg Heidemann überreichte den besonderen Preis und erklärte, dass die einst eingestellte Kategorie "Indie-Axt" nach 14 Jahren erstmals wieder verliehen wird, da Smith gerade in Zeiten der Konsolidierungen im Musik-Sektor wie kaum eine andere den Geist des Preises verkörpert.
Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien, Hamburg: "Der VIA steht wie kaum ein anderer Preis für Innovationsfreude und Vielfalt und für eine Musikkultur abseits von Kommerz. Er ehrt Künstler*innen, die den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit mit ihrer Kreativität und dem unbedingten Glauben an die Kraft der Kultur begegnen. Sie legen mit ihrer Musik die Grundlage für eine andere, eine bessere Welt und behaupten sich mit ihrer Innovationsfreude auf dem harten Musikmarkt. Die Preisverleihung ist damit auch ein Fest der unabhängigen Musikwirtschaft und ein Zeichen des festen Willens, getreu dem diesjährigen Motto des Reeperbahn Festivals 'Imagine Togetherness!' gemeinsam die Zukunft zu gestalten."
Dr. Birte Wiemann, VUT-Vorstandsvorsitzende: "Jemand, der*die sich als triskaidekaphil bezeichnet, liebt die Zahl 13. Spätestens seit gestern möchte ich mich ebenfalls als triskaidekaphil bezeichnen, denn die 13. Ausgabe des VIA war genau das, was die Numerologie der Zahl 13 zuordnet: ein Erfolg. Meine herzlichsten Glückwünsche auf diesem Wege noch einmal an alle Preisträger*innen, die auch in diesem Jahr wieder gezeigt haben, was wir meinen, wenn wir von Vielfalt im musikalischen Ökosystem sprechen. Danke für diesen wohltuenden jährlichen Reminder. Und wie immer eine große Verbeugung an die Jury, die diese Vielfalt, den Ideenreichtum und die unabhängige Umtriebigkeit mit Kompetenz und Herzblut für uns sichtbar macht."
Detlef Schwarte, Director Reeperbahn Festival: "Der VIA ist ja so eine Art Sahnehaube des Zusammenhalts innerhalb der Szene der unabhängigen Musikunternehmer*innen. Darum schmücken die VIA Awards das Reeperbahn Festival, das in diesem Jahr mit dem Motto 'Imagine Togetherness' unterwegs ist, auf ganz besondere Weise. Wir freuen uns jedes Jahr aufs Neue über diesen Schulterschluss und die auch 2025 großartigen Preisträger*innen und die erneut launische Show."
Der VUT bedankt sich bei der Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg, den Hauptförderern Merlin und GVL, dem Reeperbahn Festival, der GEMA, Phononet sowie allen Unterstützer*innen, Medienpartnern (ByteFM, DIFFUS, Kaput Mag, MusikWoche) und dem anonymen Musikliebhaber aus Hamburg, durch dessen Unterstützung der VIA mit 10.000 Euro dotiert ist. Das Berliner Presswerk Objects Manufacturing schenkt dem*er Gewinner*in der Kategorie "Bester Newcomerin" zudem eine Vinylpressung von 100 Exemplaren.