Am Mittwoch, 27. November 2024 weihte die Hochschule für Musik und Theater München (HMTM) feierlich eine neue Orgel für Musik im italienischen Stil des 16. bis 18. Jahrhunderts, die so genannte Fratti-Orgel, ein. In Anwesenheit von Vertreterinnen des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst stellten Prof. Bernhard Haas und Prof. Martin Sander, beides Professoren für Orgel am Institut für Kirchenmusik der HMTM, sowie Prof. Michael Eberth vom Institut für Historische Aufführungspraxis das Instrument vor.
Für die Studierenden in den Orgel- und Kirchenmusikstudiengängen und im Fach Historische Tasteninstrumente ist es wichtig, ein Bewusstsein für stilistische und spieltechnische Unterschiede der Musik verschiedener Epochen und Regionen zu entwickeln, die jeweils für bestimmte Orgeln entstanden ist. Durch die Möglichkeit, auf verschiedenen Stilen von Orgeln zu spielen, machen sich die Studierenden mit den Klangfarben und Spielweisen unterschiedlicher Kompositionen vertraut. Damit bereitet die HMTM ihre Studierenden auch auf ihre spätere Berufspraxis vor, in der sowohl ein historisch informierter Umgang mit Musik sowie eine angemessene Interpretation auf verschiedenen Orgeltypen erwartet werden. Die Fratti-Orgel ergänzt die 2019 eingeweihte »Bach-Orgel« (West-Orgel) und die Konzertorgel im Großen Konzertsaal (Kuhn-Orgel) der HMTM.
Die Fratti-Orgel wurde in den letzten Jahren ausschließlich in Handarbeit in der Werkstatt des italienischen Orgelbauers Marco Fratti erbaut. Im Januar 2024 wurde sie an der HMTM angeliefert und in den folgenden Monaten aufgebaut und intoniert.
Die Finanzierung der Orgel wurde möglich durch die großzügige Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst sowie durch zahlreiche Einzelspenderinnen und -spendern.
Fachliche Besonderheiten der Fratti-Orgel:
Fast alle italienischen Orgeln des 16. und frühen 17. Jahrhunderts haben ein Manual mit vier Oktaven und Pedal mit nur anderthalb Oktaven Tastenumfang. Diese Tonumfänge werden in der italienischen und süddeutschen Musik jener Zeit verlangt, etwa in Kompositionen von Giovanni Pierluigi da Palestrina, Claudio Merulo, Andrea Gabrieli, Girolamo Frescobaldi oder Domenico Scarlatti.
Die klangliche Basis ist der Principalchor, der sogenannte »Ripieno«, ein strahlend heller und doch leichter Klang. Gegenüber allen anderen europäischen Ländern hat der italienische Orgelbau die Eigenheit, dass der Ripieno nur aus Einzelregistern besteht und nicht aus einer Mixtur. Eine italienische Orgel dieser Zeit bot außerdem die Möglichkeit für zahlreiche Soloregistrierungen, die meist vokalen Charakter haben. Viele im Italien des 16./17. Jahrhunderts gebräuchliche Mischungen klingen eine Oktave höher als die Partitur notiert. Alle diese Klänge sind sehr geeignet für komplizierte Polyphonie, wie sie damals komponiert wurde. Im Pedal gab es häufig nur ein einziges Register, die Contrabassi, eine Oktave tiefer klingend als notiert. Das Pedal wird in der altitalienischen Musik praktisch nur zu Orgelpunkten und zur Unterstützung bei Kadenzen gebraucht, virtuose Pedalpartien gibt es dort nicht. Spezifische Besonderheiten sind Register wie der Fiffaro (Voce umana). Das ist ein absichtlich leicht verstimmtes Register, das eine Schwebung zum Principale erzeugt. Diese Wirkung war seinerzeit besonders in Norditalien sehr beliebt.
Die Fratti-Orgel der HMTM ist, gemessen am Stil des Instruments, eher groß. Als Besonderheiten hat sie zwei Principali, einen aus Zinn und einen aus Blei. Zusammen erzeugen sie eine besondere Klangintensität. Der Fiffaro erzeugt mit dem Principale eine Schwebung. Ein Cornetto (mit Terzchor) klingt nur im Diskant, ab cis’. Die Regali sind in Bass und Diskant geteilt, d.h. es ist möglich, diesen leicht schnarrenden Klang nur in tiefer oder nur in hoher Lage registrieren. Eine weitere Besonderheit ergibt sich daraus, dass nicht wenige Kompositionen jener Zeit Töne verlangt, die in der mitteltönigen Stimmung fehlen, z. B. besonders dis sowie as. Vor diesem Hintergrund ist die Fratti-Orgel zwar wie in der Zeit üblich mitteltönig gestimmt, verfügt jedoch über verschiedene Tasten und Pfeifen für dis und für es, für gis und für as. Diese Obertasten sind gebrochen: Beim Anschlag vorne erklingt z. B. ein es, hinten ein dis etc.
Disposition der Fratti-Orgel
Manual
(C, D, E bis c’’’, gebrochene Oktave, mit Subsemitonien gis/as sowie es/dis, 52 Tasten)
Principale (Zinn)
Principale secondo (ab c; C bis H = Principale) (Blei)
Ottava
Quintadecima
Decimanona
Vigesimaseconda
Vigesimasesta
Flauto in Ottava
Flauto in Duodecima
Cornetto (3f, ab cis’)
Fiffaro (ab c’)
Regale Bassi 8’ (C bis c’)
Regale Soprani 8’ (ab cis’)
Pedale
(C, D, E, F, G, A bis f, kurze Oktave, 14 Tasten)
Contrabassi 16’ (Fichte)
Weitere Informationen:
https://hmtm.de/kirchenmusik