Herausragende Künstlerpersönlichkeiten, eine in ihrer Form einzigartige Festival Akademie, mehrere Ko- und Eigenproduktionen und neue Konzertformate prägen erneut das Musikfestival „Heidelberger Frühling“, dessen Gesamtprogramm 2014 mit 128 Veranstaltungen jetzt (18. Oktober 2013) veröffentlicht wurde. Vom 15. März bis zum 12. April 2014 finden in der Universitätsstadt am Neckar neben großen klassischen Konzerten, beispielsweise mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra und dem Dirigenten Andris Nelsons, sechs Uraufführungen von Auftragswerken des Festivals statt. Dazu gehört unter anderem das Violinkonzert „Jauchzende Bögen“ des US-Amerikaners David Fulmer, gespielt von seinem Landsmann Stefan Jakiw und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter der Leitung von Matthias Pintscher. Überschrieben ist die 18. Saison mit „Parallelgeschichten“: Dabei richtet das Festival den Blick auf die Zeit der anbrechenden Moderne um 1900 und stellt Bezüge zur Gegenwart her. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang „The loss of innocence“, eine Neuproduktion des „Frühling“ in Kooperation mit John Neumeiers Bundesjugendballett, wie auch das mitterweile zehnte Streichquartettfest, das bereits im Januar 2014 stattfindet und das Spektrum des Streichquartetts des Fin de Siècle auslotet.
„Der ‚Heidelberger Frühling’ versteht sich als Impulsgeber für Künstler und Publikum“, so Festivalintendant Thorsten Schmidt. „Musikinteressierten bieten wir beim Frühling’ einen Rahmen für inhaltliche Auseinandersetzung, eine Möglichkeit, ein tieferes Verständnis von und für Musik zu entwickeln. Und Künstler finden in Heidelberg Gestaltungsfreiräume. Wenn wir im Austausch mit ihnen unser Programm entwickeln, ist dieser Prozess auch geleitet von der Frage, wie Musik in unsere Gesellschaft hinein wirken kann und soll.“ Das Ergebnis sind nicht selten Projekte und Künstlerkonstellationen, die nur in Heidelberg zu hören sind. So sind der Klarinettist und Komponist Jörg Widmann und der Pianist Igor Levit bei der vergangenen Festival Akademie des „Frühling“ erstmals gemeinsam aufgetreten. Für 2014 haben sie sich nun mit zwei weiteren Künstlern der Akademie – dem Geiger Ning Feng und dem Cellisten Alexej Stadler – Beethovens Tripelkonzert vorgenommen, mit Widmann am Pult des Irish Chamber Orchestra. Ebenfalls exklusiv beim „Frühling“ ist die Koproduktion „Nairobach“ zu sehen, bei der das UnterwegsTheater Heidelberg gemeinsam mit Tänzerinnen und Tänzern der freien Tanzszene aus Nairobi/Kenia die Sprache des afrikanischen und des europäischen Tanzes mit der Musik Johann Sebastian Bachs in Verbindung bringt.
Beim vierten Jahrgang der Festival Akademie treffen erneut Stipendiaten aus der ganzen Welt auf herausragende Künstler, um in einer intensiven gemeinsamen Auseinandersetzung mit Musik in ganz besonderer Weise ihr ästhetisches Verstehen zu schärfen. Für das Publikum werden hier Entstehungsprozesse miterlebbar, die üblicherweise im Konzert- und Festivalbetrieb verborgen bleiben. Erstmals führt das Festival die Akademiebereiche Kammermusik (Künstlerischer Leiter: Igor Levit) und Komposition (Künstlerischer Leiter: Matthias Pintscher) zusammen. Neben Werken von Schönberg, Schumann und vor allem Beethoven werden vier Auftragswerke erarbeitet, diskutiert und uraufgeführt, die von jungen Stipendiaten für das Festival verfasst wurden. Allen Komponisten gemein ist, dass sie sich dabei auf Ludwig van Beethoven beziehen und dies in der Reihe „Komponisten im Gespräch“ auch persönlich darlegen. Tonkünstler wie auch Interpreten profitieren von diesem beidseitigen Austausch, hinzu kommt für die Instrumentalisten ein Mentoring durch Mitglieder des Ensemble Intercontemporain (Paris) mit dem Ziel, neue Perspektiven in der Auseinandersetzung mit Werken lebender Komponisten zu eröffnen.
Im Rahmen der Festival Akademie wird bereits zum dritten Mal ein Komponistenpreis vergeben, der mit einem Kompositionsauftrag des „Heidelberger Frühling“ verbunden ist. Das Werk des letztjährigen Preisträgers, des Israeli Amir Shpilman, kommt am 19. März mit dem Meitar Ensemble unter Matthias Pintscher zur Uraufführung. Das Publikum vergibt ebenfalls wieder einen mit 2 000 Euro dotierten Publikumspreis an einen der jungen Komponisten.
Die Lied Akademie unter der Künstlerischen Leitung von Thomas Hampson widmet sich, den Festivalschwerpunkt aufgreifend, dem Werk von Richard Strauss und seinen Zeitgenossen. Als Dozenten richten der Bariton Thomas Quasthoff, die Mezzo-Sopranistin Brigitte Fassbaender und der Pianist Wolfram Rieger mit den Stipendiaten ihre Aufmerksamkeit auf die dem Kunstlied eigene wechselseitige Durchdringung von Lyrik und Musik. Vertieft wird dieser Ansatz durch Vorträge von Referenten aus den Musik- und Literaturwissenschaften, auch dies offen für die interessierte Öffentlichkeit.
Die Zeit um 1900 steht bereits im Januar im Zentrum des viertägigen Heidelberger Streichquartettfests. Goethes Ausspruch von den vier vernünftigen Leuten, die sich unterhalten, folgend, zelebriert das kleine Festival im zehnten Jahr den Austausch zwischen hervorragenden jungen Quartetten und bereits etablierten Ensembles – sowohl musikalisch als auch verbal. Eingeladen sind fünf Quartette aus Europa und den USA: das französische Quatuor Diotima, das Schumann Quartett aus Deutschland (1. Preis Bordeaux), das finnische Ensemble Meta4 („BBC New Generation“), das britische Heath Quartet (Ensemble-Preis Festspiele MV) und das US-amerikanische Dover Quartet (1. Preis Banff). All das passiert, wie es in Heidelberg Tradition hat, nicht hinter verschlossenen Türen, sondern zugänglich für ein interessiertes Publikum.
Fortgesetzt wird ebenfalls die Fachtagung des „Heidelberger Frühling“. Unter dem Titel „Neues schaffen statt Copy & Paste’“ beschäftigt sie sich am 27. und 28. März mit dem Thema „Innovation als Teil einer ganzheitlichen Strategie kultureller Einrichtungen“. Die Referenten werden Ende November bekanntgegeben.
Konsquent setzt der „Heidelberger Frühling“ auch seine Beschäftigung mit unkonventionellen Präsentationsformen fort. Ein Beispiel ist die „MLP Late Night Lounge“, die die ritualisierte Atmosphäre klassischer Konzerthäuser bewusst aufbricht und den Konzertbesucher überrascht: mit dem Programm, an dem Ort, zu der Zeit. Die kreative Kraft des Hybriden, das mehr ist als die Summe seiner Einzelteile, ist Gegenstand der neuen Reihe „off-spring“. Sie ist eine Einladung an Künstler, Räume abseits des klassischen „Frühling“ (off-spring) auszuloten, vor allem auch das künstlerische Potential des „Dazwischens“, der Unschärfe an den Rändern, und ist so vielleicht Geburtsstätte einer neuen Generation (offspring) von Musikerfahrung. Zu hören sind in dieser Reihe unter anderem das französische Produzentenduo Nôze mit Band, Elektro Guzzi mit akustischem Techno und ein Composer Slam.
Karten sind ab Montag, den 21. Oktober 2013 unter Tel. (06221) 584 00 44 und deutschlandweit an allen bekannten Vorverkaufskassen erhältlich, unter anderem bei allen Geschäftsstellen der Rhein-Neckar-Zeitung.
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