Unter dem Tagesordnungspunkt „Schutz für die Kulturbranche“ beriet der Deutsche Bundestag am Donnerstag (15. Dezember 2022) über zwei Anträge der CDU/CSU-Fraktion. Die hatte einerseits beantragt, dass die Regierung eine Ansprechperson für die Kultur- und Kreativwirtschaft benennen solle und andererseits gefordert, dass die Ausfallabsicherung über den Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen bis Ende 2023 fortgesetzt und damit das Insolvenzrisiko von Unternehmen minimiert und Verbraucherschutz gewährleistet wird. Während die Abgeordneten dem ersten Antrag zustimmten, wurde der Antrag zum Sonderfonds abgelehnt.

Nachdem die im Koalitionsvertrag geforderte Ansprechperson für die Kultur- und Kreativwirtschaft in persona des Parlamentarischen Staatssekretärs Michael Kellner vom BMWK und Dr. Andreas Görgen, dem Amtsleiter der BKM, nach einem Jahr Ampelregierung und erheblichem Drängen der Verbände des Wirtschaftsbereichs nun im November endlich benannt wurde, war der Antrag damit überholt. Bei dem zweiten Antrag ging es dann allerdings um die derzeit dringendste Forderung der Veranstaltungswirtschaft an die Regierung, nämlich die Verlängerung des Sonderfonds für Kulturveranstaltungen.

Sonderfonds ist auch Verbraucherschutz

„Sollte ein Konzert oder eine Tournee abgesagt werden müssen, da eine Künstlerin oder ein Künstler an Corona erkrankt ist, steht nicht nur die Existenz des Veranstaltungsunternehmens auf dem Spiel, sondern es besteht auch die Gefahr, dass die Verbraucher aufgrund von Unternehmensinsolvenzen ihre Tickets nicht erstattet erhalten“, sagt Prof. Jens Michow, geschäftsführender Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV). Das Problem bestehe darin, dass die private Versicherungswirtschaft pandemie-bedingte Veranstaltungsausfälle grundsätzlich nicht mehr versichere. Um Konzerte und Tourneen auch zukünftig verantwortungsvoll durchführen zu können, sei die Branche daher zwangsläufig auf staatliche Hilfe angewiesen. „Die mangelnde Wahrnehmung dieses von der CDU/CSU-Fraktion in ihrem Antrag völlig zutreffend dargestellten Problems und die Argumente, mit denen dieser Antrag durch die Regierungsparteien abgeschmettert wurde, sind erschütternd. Ich finde es verantwortungslos, dass die Brisanz des Problems derart ignoriert wird.“, so Michow.

Sonderfonds sicherte das bisherige wirtschaftliche Überleben der Branche

Besonders entrüstet ist der Verbandsvertreter über die von dem Abgeordneten Dr. Joe Weingarten in seinem Redebeitrag aufgestellte Behauptung, dass sich der von der Vorgängerregierung eingerichtete Sonderfonds für Kulturveranstaltungen als „weitgehend wirkungslos erwiesen“ habe. „Wer die bedeutendste staatliche Förderung, welche das bisherige wirtschaftliche Überleben der Kulturveranstaltungswirtschaft überhaupt erst ermöglichte, als ‚wirkungslos‘ bezeichnet, zeigt, dass ihm offenbar jegliche Kenntnis der Branchenrealität fehlt. Ohne die Wirtschaftlichkeitshilfe und die Ausfallabsicherung hätten zahlreiche Unternehmen trotz aller beachtlichen Hilfen die Krise nicht überlebt. Die Ausgaben für die Überbrückungshilfen, die  November-/Dezemberhilfe sowie Neustart Kultur hätte man sich dann sparen können.“ Michow hält es daher für polemisch, der Union „hilflose Untätigkeit“ vorzuwerfen, wie es der Abgeordnete Dr. Weingarten in seiner Ansprache tat.

Enttäuscht reagierte Michow auch auf die Redebeiträge der branchenaffinen Abgeordneten Anikó Glogowski-Merten und Daniel Schneider. „Beide Abgeordneten haben sich bisher sehr für unsere Branche engagiert und stehen ihr nahe. Ich habe daher den Eindruck, dass sie die Fortführung des Sonderfonds nicht aus eigener Überzeugung, sondern vornehmlich aus Gründen der Parteidisziplin abgelehnt haben. So oder so finde ich das sehr schade.“

Noch andauernde wirtschaftliche Folgen der Pandemie
lassen sich nicht durch die ausschließliche Behandlung neuer Wunden kurieren

„Wir würden uns wünschen, dass die Regierungsparteien mit uns evaluieren, welche bisherigen Maßnahmen uns in den letzten fast drei Jahren tatsächlich geholfen haben und welcher Handlungsbedarf zur Bewältigung der Energiekrise besteht“, sagt Michow. Leider sei hier bisher wenig geschehen. Mit der Erarbeitung eines Konzepts für den bereits Anfang November angekündigten Festival-Förder-Fonds sei noch nicht einmal begonnen worden. Ohnehin werde mit einem Budget von 5 Millionen Euro eine mit der Ende Juni auslaufenden Förderung von Musikfestivals durch das Neustart Kultur-Förderprogramm auch nur annähernd vergleichbar zielorientierte Förderung nicht darstellbar sein.

Als erfreulich betrachtet es Michow, dass nun klargestellt wurde, dass auch Veranstaltungsunternehmen von der mit einer Milliarde Euro vorgesehenen Förderung von Kultureinrichtungen profitieren sollen. „Die Herausforderungen durch die Energiekrise sind für die Veranstaltungsbranche eine neue zusätzliche Belastung. Wir begrüßen daher die geplanten Entlastungen des Kulturbetriebs sehr und sind dankbar dafür. Aber die für uns noch andauernden wirtschaftlichen Folgen der Pandemie lassen sich nicht durch die ausschließliche Behandlung neuer Wunden kurieren. Es reicht nicht aus, sich nun nur auf die Bewältigung der Folgen der Energiekrise zu konzentrieren, derweil die Branche noch nicht einmal die Auswirkungen der Corona-Pandemie verkraftet hat.

Veranstaltungsbranche will mit der Politik ein Gesamtkonzept für tatsächlichen Neustart erarbeiten

Michow betont: „Wer wirklich will, dass die Vielfalt des Kulturveranstaltungsangebotes erhalten bleibt, muss mit uns endlich die aktuelle Gesamtlage der Branche analysieren und im Dialog mit uns ein Gesamtkonzept erarbeiten, welches uns tatsächlich endlich einen wirklichen Neustart ermöglicht.“

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