Foto: Aufführung im Rahmen von JeKits
JeKits bei “Zehn nach zehn”, 10-jähriges Jubiläum RUHR.2010.  
Photo:  Claus Langer  /  JeKits
Die Musikschullandschaft weist im Bundesländervergleich teils große Unterschiede auf. Michael Dartsch erklärt die Hintergründe und geht auf Finanzierungsmodelle, Kooperationen und Unterrichtsangebote ein.

In Deutschland gibt es vielfältige Möglichkeiten, den praktischen Umgang mit Musik zu erlernen. Zunächst einmal ist das Musizieren als Bestandteil des Musikunterrichts an der allgemeinbildenden Schule strukturell verankert. Für individuelle Interessen und Spezialisierungswünsche – insbesondere für das Erlernen eines Instruments – gibt es ein dichtes Netz privater Musikschulen, freiberuflicher Musikpädagog*innen sowie öffentlicher Musikschulen, die in kommunaler Verantwortung stehen und einen öffentlichen Bildungsauftrag haben. Fast alle öffentlichen Musikschulen sind Mitglied im Verband deutscher Musikschulen (VdM), der – anders als die privaten Anbieter [1] – regelmäßig detaillierte statistische Daten zu seinen Einrichtungen veröffentlicht. Die jüngste dieser Statistiken mit dem Berichtsjahr 2019 dient hier als Grundlage. Als eingetragener Verein mit Landesverbänden in jedem Bundesland vertritt der VdM die Interessen seiner Schulen und etabliert durch Richtlinien für die Mitgliedschaft sowie durch Lehrpläne, Fortbildungen, Kongresse und Arbeitshilfen Standards für die Qualität ihres Unterrichts. Neben einer breiten Palette an Instrumental- und Gesangsunterricht zeichnen sich die öffentlichen Musikschulen durch ein flächendeckendes Angebot an Elementarer Musikpraxis und Ensemblespiel sowie Ergänzungsfächern wie Hörerziehung und Musikgeschichte aus. Viele von ihnen kooperieren mit anderen Bildungseinrichtungen.

Altersgruppen und Förderprogramme

Zuletzt haben 1,5 Millionen Menschen die insgesamt 933 öffentlichen Musikschulen in Deutschland besucht. Der Großteil, 83 Prozent, sind Kinder und Jugendliche im Alter von bis zu 18 Jahren. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung sind dies fast 9 Prozent dieser Altersgruppe. Besonders hoch ist der Anteil unter den Grundschulkindern: Von den 6- bis 9-Jährigen erhält jedes sechste Kind Musikschulunterricht. Im Alter von 10 bis 14 Jahren ist es noch etwa jedes zehnte. Jüngere Kinder bis zu 5 Jahren sowie Jugendliche von 15 bis 18 Jahren sind mit rund 5 Prozent ihrer Altersgruppe vertreten. Im Erwachsenenalter nimmt die Zahl weiter stark ab.

Auffällig sind die Unterschiede zwischen den Bundesländern: Spitzenreiter ist Baden-Württemberg, wo die öffentlichen Musikschulen 13,5 Prozent aller Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre erreichen. Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Brandenburg und Hamburg repräsentieren mit rund 9 Prozent den Bundesdurchschnitt, während Bremen mit 3 Prozent das Schlusslicht bildet. Dabei gibt es in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hamburg besonders hohe Anteile unter den Grundschülern: Hier erhält jeweils fast ein Viertel der Kinder Unterricht durch eine VdM-Musikschule.

Dieser hohe Prozentsatz erklärt sich unter anderem dadurch, dass es in den drei Ländern weitreichende Programme zur Förderung der musikalischen Bildung für Kinder gibt, bei denen die VdM-Musikschulen wichtige Kooperationspartner sind und für deren Durchführung sie Lehrkräfte zur Verfügung stellen. So arbeiten in Nordrhein-Westfalen öffentliche Musikschulen innerhalb des landesweiten Programms „Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen“ (JeKits) mit Grundschulen zusammen, in Hamburg geschieht dies im Programm „Jedem Kind ein Instrument“ (JeKi). Zwar haben auch andere Länder inhaltlich vergleichbare Kooperationsprogramme mit Grundschulen aufgesetzt, diese sind aber bisher weniger flächendeckend angelegt. In Baden-Württemberg wiederum schlägt eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Landesverband der Musikschulen und dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport positiv zu Buche. Darin ist für Grundschulen mit Ganztagsbetrieb festgelegt, dass zum pädagogischen Konzept jeder Grundschule „im außerschulischen Bereich eine musikalische Grundausbildung in den Klassen 1 und 2 durch eine öffentliche Musikschule gehören“ solle. Daneben werden dort zahlreiche Kooperationen mit Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Rahmen des Länderprogramms „Singen – Bewegen – Sprechen“ durchgeführt; die Angebote der Musikschulen werden hier als Sprachfördermaßnahmen anerkannt. Dies dürfte einer der Gründe dafür sein, dass die Musikschulen in Baden-Württemberg auch bei den Kindern im Alter von bis zu 5 Jahren einen Spitzenwert einnehmen: Sie erreichen fast 10 Prozent der Altersgruppe.

Bei JeKits brechen viele Schüler*innen das Programm nach dem kostenlosen ersten Jahr ab. Noch deutlicher sind die Rückgänge an den weiterführenden Schulen: Hier macht sich nicht nur bemerkbar, dass es weniger Kooperationen mit Musikschulen gibt, sondern auch, dass generell viele Kinder um die Pubertät herum mit dem Musizieren aufhören. So gehen die Zahlen von den 6- bis 9-Jährigen zu den 10- bis 14-Jährigen gemessen an ihrem Anteil in der Bevölkerung deutlich zurück. In Baden-Württemberg fallen sie von 23,0 auf 16,2 Prozent, in Hamburg von 24,2 auf 10,6 Prozent und in Nordrhein-Westfalen von 23,5 auf 8,6 Prozent. Die entsprechenden Anteile sind auch in den anderen Ländern rückläufig, wenn auch prozentual weniger stark.

Dichte der Unterrichtsstätten

Die 933 öffentlichen Musikschulen erteilen ihren Unterricht an insgesamt 20.922 Unterrichtsstätten. Statistisch gesehen beträgt der Weg zum Musikschulunterricht damit im bundesweiten Durchschnitt 4,7 Kilometer. Besonders nah hat man es in Baden-Württemberg, was ein weiterer Grund sein dürfte, warum das Land beim Anteil der Musikschüler*innen in der Bevölkerung den ersten Platz einnimmt. Hier beträgt der durchschnittliche Abstand zwischen zwei Unterrichtsstätten nur drei Kilometer – der niedrigste Wert in den Flächenländern. An zweiter Stelle folgt Nordrhein-Westfalen mit 3,4 Kilometern und dem zweithöchsten Musikschüleranteil. Es zeigt sich ein klarer Zusammenhang: Je dichter die Struktur an Unterrichtsstätten ist, desto mehr Menschen werden von den öffentlichen Musikschulen erreicht.

Allgemein ist festzustellen, dass der durchschnittliche Abstand zwischen zwei Unterrichtsstätten nicht zuletzt vom Grad der Verstädterung abhängt.  In ländlichen Gebieten liegen die Unterrichtsstätten öffentlicher Musikschulen im Durchschnitt gut 9 Kilometer voneinander entfernt, während in Regionen mit mittlerer Besiedlung im Schnitt 3,6 Kilometer und bei dichter Besiedlung 2 Kilometer zwischen ihnen liegen. Das hat zur Folge, dass in Gebieten mit mittlerer oder dichter Besiedlung ungefähr 2 Prozent der Bevölkerung eine öffentliche Musikschule besuchen, während dieser Anteil in dünn besiedelten Regionen nur knapp über einem Prozent liegt. So besteht ein deutliches Stadt-Land-Gefälle. Eine generell schlechtere Versorgung muss damit aber nicht zwingend einhergehen: In ländlichen Gebieten sorgen oft Musikvereine und freischaffende Musikpädagog*innen für kurze Wege zur Musik.

Instrumente

Öffentliche Musikschulen zeichnen sich durch eine breite Instrumentenauswahl aus und bieten auch Unterricht in Fächern mit geringer Belegung an, etwa Kontrabass oder Fagott (dies im Unterschied zu privaten Musikschulen, die sich oft auf ein besonderes Angebot u. a. im Bereich der populären Musik fokussieren). Das beliebteste Instrument ist seit Jahren das Klavier, dicht gefolgt von der Gitarre. Mit einigem Abstand schließt sich die Violine als beliebtestes Orchesterinstrument an; sie hat vor etwa zehn Jahren die Blockflöte vom dritten Platz verdrängt. Generell ist die Popularität der Blockflöte in stetigem Rückgang begriffen. Lag sie zu Beginn des Jahrtausends noch dicht hinter der Gitarre, kann sie heute den vierten Platz nur noch knapp gegenüber dem Schlagzeug verteidigen, dessen Beliebtheit in der gleichen Zeit kontinuierlich gewachsen ist. Der Imagewandel der Blockflöte als Konzertinstrument in der Alten Musik sowie die Weiterentwicklung in der Didaktik des Frühinstrumentalunterrichts auf anderen Blas-instrumenten dürften dazu beigetragen haben, dass die Blockflöte ihre frühere Rolle als Einstiegsinstrument immer mehr einbüßt.

Bei der Instrumentenwahl spiegeln sich Unterschiede in der regionalen Musikpraxis wider. So nehmen Instrumente, die traditionell in der Blasmusik zum Einsatz kommen, in Bayern und Baden-Württemberg einen vergleichsweise hohen Anteil unter den belegten Instrumenten ein. Ansonsten zeigen sich regionale Unterschiede etwa bei Volksmusikinstrumenten und der Bağlama: Während Zither, Harfe und Hackbrett eher in Bayern gespielt werden, findet sich das türkische Zupfinstrument unter den Flächenländern besonders in Nordrhein-Westfalen, wo zuletzt ein Drittel der türkischstämmigen Bevölkerung Deutschlands lebte.

Abbildung: Einnahmen der VdM-Musikschulen nach Bundesländern (2019)
Abbildung: Belegungen Instrumental-/Vokalfächer und sonstige Unterrichtsformen (2019)
Abbildung: Kooperationen (2019)

Kooperationen

Zum Profil der öffentlichen Musikschulen gehört ihre Vernetzung in der kommunalen Bildungslandschaft, etwa im Rahmen der erwähnten Programme zur Förderung der musikalischen Bildung von Kindern. Durch die Zusammenarbeit mit anderen Bildungs- und Kultureinrichtungen erreichen sie bestimmte Gruppen leichter und tragen ihrerseits dazu bei, dass auch die Partnerinstitutionen ihre Ziele besser verfolgen können. So ergänzen etwa Lehrkräfte aus dem Bereich der Elementaren Musikpraxis, die an einer Kindertagesstätte musikalische Angebote gestalten, die ästhetische Bildung der Einrichtung mit ihrer fachlichen Expertise und erreichen Kinder auch außerhalb des Musikschulgebäudes – nicht zuletzt solche, die ansonsten möglicherweise nie Musikschulunterricht erhalten hätten.

Den höchsten Anteil unter den Kooperationen machen solche mit Einrichtungen der Kindertagesbetreuung aus. Zwei Drittel der VdM-Musikschulen arbeiten mit Kitas zusammen und erreichen damit 9 Prozent der Einrichtungen bundesweit. Deutlich größer ist der entsprechende Anteil bei den Grundschulen; er liegt bei knapp 30 Prozent und betrifft gut drei Viertel der Musikschulen. Hier weist der VdM einen starken Anstieg zwischen 2006 und 2009 aus – also in der zweiten Hälfte des Zeitraums, in dem der Aufbau von Ganztagsschulen im Rahmen eines Investitionsprogramms des Bundes gefördert wurde. Hier hat man es also überwiegend mit Ganztagskooperationen zu tun. Auch ein knappes Viertel der Gymnasien arbeitet mit öffentlichen Musikschulen zusammen. In auffälligem Kontrast hierzu stehen die Anteile bei den Real-, Haupt- und Förderschulen, die nur zwischen 10 und 14 Prozent betragen. Ein gutes Viertel der Musikschulen arbeitet mit insgesamt knapp 1.200 Musikvereinen zusammen, darunter besonders viele in Baden-Württemberg und Bayern, wo nicht nur die Zahl der Musikschulen, sondern nach Angaben der Bundesvereinigung deutscher Orchesterverbände auch die der Instrumentalmusikvereine vergleichsweise hoch ist.

Finanzierung

Der Gesamtetat der öffentlichen Musikschulen beträgt rund 1,1 Milliarden Euro. Zu 42 Prozent werden die Mittel durch Einnahmen aus Unterrichtsgebühren erzielt. Der übrige Etat setzt sich aus Mitteln der Länder, der Kreise und/oder der Gemeinden und Städte zusammen. In den Bundesländern variieren die Anteile allerdings stark und reichen von 35 Prozent in Hessen bis zu 73 Prozent in Sachsen-Anhalt. Die öffentlichen Einnahmen erlauben es, die Gebühren grundsätzlich verträglich zu gestalten und Sozialermäßigungen vorzusehen. Unterschiede zeigen sich auch in der Zusammensetzung der öffentlichen Mittel. Den höchsten Landesanteil weist mit 14,5 Prozent Mecklenburg-Vorpommern auf, gefolgt von Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Die Musikschulgesetze in Brandenburg und Sachsen-Anhalt sowie eine entsprechende Verordnung in Mecklenburg-Vorpommern befördern dabei die Etablierung von Qualitätsstandards durch die Vergabe der Bezeichnung „anerkannte Musikschule“.

In Nordrhein-Westfalen werden die Musikschulen zu fast 45 Prozent von Städten und Gemeinden gefördert. [2] Hier ist die Dichte an Städten so hoch, dass eine Verantwortung der Kreise weniger nahe liegt. In den eher dünner besiedelten Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen stellt sich das Verhältnis umgekehrt dar; dort engagieren sich häufiger die Kreise als Träger von Musikschulen.

In der Gesamtschau stellen sich die öffentlichen Musikschulen mit vergleichsweise niedrigen Unterrichtsgebühren, kurzen Wegen zur nächsten Unterrichtsstätte und einer vielfältigen lokalen Vernetzung als zentrale Akteure in der Bildungslandschaft dar und folgen so ihrem politischen Mandat: musikalische Bildungschancen für alle zu eröffnen.

Über den Autor

Michael Dartsch ist Professor für Musikpädagogik an der Hochschule für Musik Saar und lehrt dort auch Elementare Musikpädagogik, Erziehungswissenschaft und Violindidaktik.

Footnotes

  1. Vom Bundesverband der Freien Musikschulen liegt nur eine Hochrechnung zu den Schülerzahlen aus dem Jahr 2016 vor, vgl. Bundesverband der Freien Musikschulen: Statistik 2016, o. O. 2017.
  2. Ab 2022 wird es hier zu Änderungen kommen, da die Landesmittel im Rahmen der Musikschulinitiative aufgestockt werden.