Abbildung: Konzert
Das Trickster Orchestra in der Tonhalle Düsseldorf  
Foto:  Susanne Diesner

Der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI, das Handelsblatt und das ZDF haben das gemeinsam vom Berliner Trickster Orchestra und von BASF realisierte Konzertprojekt „Amphiphilie“ (2024) mit dem Deutschen Kulturförderpreis 2025 ausgezeichnet. Das Projekt wurde durch die Fachjury für die Förderung der kulturellen Vielfalt und des gesellschaftlichen Dialogs in Verbindung mit herausragender künstlerischer Leistung ausgezeichnet. Im innovativen Konzertprojekt führte das Trickster Orchestra unter Leitung von Cymin Samawatie und Ketan Bhatti im BASF-Feierabendhaus erstmals fünf herausragende regionale Ensembles in einem völlig neuen Symphonieorchester zusammen, darunter die Deutsche Staatsphilharmonie, das Ensemble Colourage, das KlangForum Heidelberg, das Kurpfälzische Kammerorchester und das Nationaltheaterorchester Mannheim.

„Wir freuen uns sehr über den Deutschen Kulturförderpreis 2025. Die Auszeichnung zeigt uns, dass Mut belohnt wird. Das Projekt ‚Amphiphilie‘ war ein Experiment, bei dem wir nicht genau wussten, was entstehen würde. Dennoch sind wir diesen Weg gegangen, weil wir es für wichtig hielten, die Möglichkeiten eines neuen musikalischen ‚Wir‘ zu erkunden,“ so Anna Rapp, Leiterin gesellschaftliches Engagement bei BASF.

Die Jury würdigt mit dem Projekt ein Engagement, „das kulturelle Teilhabe auf höchstem Niveau ermöglicht – ein Beispiel dafür, wie Unternehmen Verantwortung übernehmen und Begegnungsräume zum Austausch schaffen können.“

Cymin Samawatie, künstlerische Leiterin des Trickster Orchestra: „Amphiphilie war eines unserer spannendsten Projekte im letzten Jahr – ein genre- und spartenübergreifendes Mammutvorhaben im Dialog mit der lokalen Szene und der Stadtgesellschaft. Uns hat begeistert, wie wir in dieser Residency nachhaltige neue Querverbindungen zwischen Szenen, Häusern und Communities schaffen konnten. Es sind Klangsprachen entstanden, die einem gewaltig um sich greifenden Hass und der Ablehnung von Vielfalt und Migration mit der verbindenden Kraft unsichtbarer Töne begegneten. Deshalb freuen wir uns, dass das Projekt mit dem Deutschen Kulturförderpreis diese besondere Anerkennung erfährt.“

Philip Geisler, leitender Dramaturg des Trickster Orchestra: „Mit Amphiphilie haben wir nach den Geschichten von Migration und Postmigration, von Anschluss und Ausschluss gesucht. Es war eine Suche nach einem völlig neuen, symphonischen Gesamtklang, der die unterschiedlichen Realitäten der Gegenwart widerspiegelt und unsere Gesellschaft akustisch auszudrücken vermag. Umsetzbar war dieses einzigartige Kooperationsprojekt nur durch die innovative und agile Verbindung zwischen Privatwirtschaft und einem freien Exzellenzorchester - und durch mutige und visionäre Führungspersönlichkeiten, die ihre Orchester und Häuser für Impulse aus der freien Szene geöffnet haben.“

Im Zentrum des Konzertprojekts „Amphiphilie“ stand die Frage, wie eine Kunstmusik klingen kann, die anschlussfähig an eine postmigrantischen Gesellschaft ist und ihren multiplen Wissens- und Erinnerungsformen gerecht wird. Musiker:innen aus etwa zwei Dutzend kulturellen und musikalischen Kontexten arbeiteten dazu gemeinsam an einem neuen Klang- und Orchesterverständnis. Das Libretto stammt von der Autorin Seda Keskinkılıç, die anhand von persönlichen Gesprächen und Begegnungen mit Menschen in der Rhein-Neckar-Region unterschiedlichen Stimmen, Träumen und Zukunftsgedanken einen lyrischen Ort im Konzertstück gab.

Höhepunkt des über ein Jahr vorbereiteten Projekts war die Uraufführung des von Cymin Samawatie und Ketan Bhatti komponierten Werks „Amphiphilie“ am 23. Februar 2024 im BASF-Feierabendhaus. Chemie wurde dabei zum musikalischen Paradigma: Amphiphile Substanzen lösen sich sowohl in Wasser als auch in Fett – ein Bild für das Auflösen stilistischer Grenzen in der Musik, für eine Gesellschaft, die sich weniger über Abgrenzung als über das Sowohl-als-Auch versteht. Das Projekt förderte die Vernetzung über den Projektzeitraum hinaus. Seit dem Abschluss in Ludwigshafen setzt das Trickster Orchestra ähnliche Formate in anderen Städten um. Eine Berlin-Premiere des Programms plant das Trickster Orchestra für Februar 2026.

Konzertprojekt „Amphiphilie“ (2024)

Trickster Orchestra & Ensembles der Metropolregion Rhein-Neckar
Mitglieder der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, des Orchesters am Nationaltheater Mannheim, des Kurpfälzischen Kammerorchesters, des Klangforum Heidelberg und des Ensemble Colourage

Seda Keskinkılıç – Libretto
Philip Geisler – Dramaturg
Cymin Samawatie & Ketan Bhatti – Künstlerische Leitung & Komposition

Vermutlich braucht es nicht weniger als eine neue Sprache und Musik, um die diversen Realitäten unserer Gesellschaft aufzufangen. Welche Geschichten werden hör- und erzählbar, wenn wir den Glauben an klar voneinander abgrenzbare Identitäten aufgeben? Und welche lyrisch-musikalischen Impulse geben die verschiedenen Stimmen eines „neuen WIRs“, wenn sie kraftvoll wie verletzlich nebeneinander erklingen? Das Trickster Orchestra sucht mit dem Konzertprogramm »Amphiphilie« nach den vielsprachigen Geschichten von Migration und Postmigration, von Anschluss und Ausschluss, von Desintegration und dem Sog der Mehrheitsgesellschaft – und begibt sich dadurch auf die Suche nach einem Gesamtklang, der die Spannung der Gleichzeitigkeit erträgt. Der Eigenschaft amphiphiler Substanzen folgend, sowohl wasserliebend als auch fettliebend zu sein, lösen sich im Konzertstück bekannte Stilistiken gleichermaßen in Improvisation und kollektiver Komposition auf. Das Trickster Orchestra verbindet sich im Sinne dieses „Sowohl-als-auch“ zur Uraufführung im BASF-Feierabendhaus mit Mitgliedern der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, des Orchesters am Nationaltheater Mannheim, des Kurpfälzischen Kammerorchesters, des Klangforum Heidelberg und des Ensemble Colourage.

Trickster Orchestra

Das Trickster Orchestra vereint herausragende Solist*innen in einem postmigrantischen Ensemble der zeitgenössischen Musik. Unter der Leitung von Cymin Samawatie und Ketan Bhatti verbindet das Orchester Instrumente diverser globaler Musiktraditionen zu einer gemeinsamen, trans-traditionellen Musiksprache. Mit ihrem besonderen Wissen und dem r/evolutionären Klang des Ensembles schmieden die Mitglieder des Trickster Orchestra neue Welten und stören dabei zwangsläufig überkommene Grenzziehungen und Ordnungen. Das Ensemble vereint dazu einige der weltweit virtuosesten Solist*innen und deren faszinierende Bandbreite von Instrumenten, die aus diversen Kulturen sorgfältig ausgewählt worden sind, in einem Klangkörper zwischen Improvisation und Komposition. Aus dieser Zusammenführung entsteht eine der aufregendsten und innovativsten Musikformen unserer Zeit, die völlig neue Klangerfahrungen verspricht. Das Kollektiv umfasst Solist*innen aus weltweiten (Kunst-)Musiktraditionen, dem Jazz, der elektronischen, Echtzeit- und Neuen Musik sowie freier Improvisation. Auf diesem Weg übersetzt das Trickster Orchestra als international strahlender Klangkörper wegweisend den durch Migration entstandenen kulturellen Reichtum Deutschlands in eine Multiplikation der musikalischen Perspektiven, der künstlerischen Möglichkeiten und des kreativen Ausdrucks. 2021 erschien das Debüt-Album beim Label ECM Records. 2022 gewann das Orchester den Deutschen Jazzpreis als Bestes Großes Ensemble und den Hamburger Klassikpreis TONALi in der Kategorie „Mut zur Utopie“. 2024 würdigte die deutsche Bundesregierung das Ensemble durch Aufnahme in die „Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland“.

Cymin Samawatie (Künstlerische Leiterin)

Cymin Samawatie (Iran/Deutschland) wurde 1976 in Braunschweig geboren und arbeitet als Sängerin, Komponistin, Pianistin und Dirigentin. Sie studierte klassisches Schlagwerk, Klavier und Gesang an der Hochschule für Musik und Theater Hannover sowie Jazzgesang an der Berliner Universität der Künste. Als Sängerin ist sie mit ihrem Jazz-Ensemble Cyminology international bekannt geworden. In diesem Ensemble verschmelzen die Klangfarben des Impressionismus mit der Lebendigkeit des zeitgenössischen Kammerjazz. 2013 rief sie gemeinsam mit Ketan Bhatti und Philip Geisler das Trickster Orchestra ins Leben. Geistreich, expressiv und mit großer Experimentierlust verwebt sie hier in ihrer trans-traditionellen Variante der zeitgenössischen Musik globale Instrumentierungen und Musiktraditionen mit urbanen Live-Electronics, multilingualer Lyrik und freier Improvisation. Beim Label ECM Records veröffentlichte Samawatie ihre jüngsten vier Alben, die sowohl in Deutschland als auch international hohe Anerkennung fanden. Ihre Gedichte werden häufig zu Libretti ihrer Stücke und thematisieren die Zerbrochenheit einer heimatlos gewordenen Welt und Utopien eines heilsamen Miteinanders. Cymin Samwaties Ensembles wurden u.a. ausgezeichnet mit dem Deutschen Jazzpreis, dem Berliner Jazzpreis, dem TONALi Musikpreis, dem GEMA Musikautor*innenpreis, dem Deutschen Weltmusikpreis RUTH, dem creole Weltmusik Award, dem Jazz & Blues Award, dem Möbus Jazz Award und dem New Generation Award.

Ketan Bhatti (Künstlerischer Leiter)

Ketan Bhatti wurde 1981 in Neu Delhi geboren und ist ein Grenzgänger zwischen verschiedenen Genre- und Kulturwelten. Seine Arbeiten reichen von zeitgenössischer Kammermusik über experimentelles Musik- und Tanztheater, Bühnen- und Filmmusik bis zu elektronischen, Hip-Hop-basierten Produktionen. Als Komponist von Bühnenmusik arbeitet er seit 2003 mit seinem Bruder Vivan Bhatti regelmäßig für die Inszenierungen an großen deutschsprachigen Theaterhäusern wie dem Deutschen Theater Berlin, Schauspiel Köln, Staatstheater Dresden und dem Düsseldorfer Schauspielhaus. Seine Musiktheaterstücke u.a. an der Neuköllner Oper, der Staatsoper Hannover und der Tischlerei der Deutschen Oper Berlin basieren auf Kooperationen mit Autoren wie Feridun Zaimoglu oder Roland Schimmelpfennig und befassen sich mit gesellschaftlicher Heterogenität in der postmigrantischen Wirklichkeit. Ketan Bhattis Werke wurden von Ensembles wie dem Ensemble Adapter, LUX:NM, dem Hezarfen Ensemble, Ensemble Resonanz und Ensemble Reflektor auf Festivals wie dem Wien Modern Festival, Podium Esslingen, dem Jazzfest Berlin oder den Nibelungenfestspielen in Worms aufgeführt. Seine Arbeit wurde mit dem Karl-Hofer-Preis, dem Echo Klassik Sonderpreis und dem GEMA Musikautor*innenpreis ausgezeichnet. Seit 2013 leitet er mit Cymin Samawatie das Trickster Orchestra, mit dem er neue Besetzungen und Arbeitsmethoden für die zeitgenössische Kammermusik vorstellt.