Der Senator für Kultur und Medien Dr. Carsten Brosda hat heute den beiden Gründern der inklusiven Musikband „Station 17" und des Theaterensembles „Meine Damen und Herren“ und Initiatoren des inklusiven Künstlernetzwerks „barner 16“ in der Kirche St. Nicolaus der Evangelischen Stiftung Alsterdorf den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland überreicht. Damit werden Kai Boysen und Thomas Cold für ihr langjähriges Wirken für die inklusive Kunst und Kultur und für ihr gesellschaftliches Engagement weit über Hamburgs Grenzen hinaus geehrt. 

Kai Boysen und Thomas Cold haben vor über 37 Jahren den Grundstein für eine einzigartige und weit über Hamburg bekannte inklusive Kulturszene gelegt. Was damals als Experiment begann – eine Musikband, in der Menschen mit und ohne Behinderung zusammenspielen – entwickelte Kai Boysen zur professionellen Band „Station 17“ mit mittlerweile elf produzierten Alben. Neben der Musikband gründete Thomas Cold 1998 das inklusive Theaterensemble „Meine Damen und Herren“. Aus diesen Keimzellen erwuchsen nach und nach weitere Projekte, die im Jahr 2000 unter dem Dach „barner 16“ zu einem Netzwerk für professionelle Kulturproduktionen von Menschen mit und ohne Behinderung zusammengefasst und erweitert wurden. barner 16 ist Teil der alsterarbeit gGmbH im Verbund der Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Die Gruppen professionalisierten sich mit den Jahren immer mehr und kooperieren von Anbeginn mit namhaften Künstlerinnen und Künstlern. Sie sind mittlerweile nicht nur bundesweit, sondern auch auf internationaler Ebene anerkannt und repräsentieren Hamburgs kulturelle Vielfalt. 

Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien: „Kai Boysen und Thomas Cold sind zwei Visionäre, die mit ihrer Leidenschaft und ihrem Engagement für Inklusion, Musik und Theater eine Zukunft geschaffen haben, in der jeder einzelne Mensch zählt. Sie haben der Kunst einen Raum und den Menschen, mit denen sie zusammen Musik und Theater machen, eine Stimme gegeben. Damit haben sie diesen Ort in Alsterdorf und vor allem unsere Gesellschaft verändert – dies alles, weil sie unbedingt an die Kraft der Kunst glauben und in Menschen große Talente sehen. Die zahlreichen CDs von ‚Station 17‘ und die vielen Bühnenstücke von ‚Meine Damen und Herren‘ sind die Zeugnisse einer bewegenden Reise, die von Leidenschaft, Kreativität und dem unerschütterlichen Glauben an die Kraft der Inklusion geprägt ist. Sie sind ein Aufruf an uns alle, die Vielfalt in unserer Gesellschaft zu feiern und zu fördern. Ich gratuliere Kai Boysen und Thomas Cold sehr herzlich zur Auszeichnung mit dem Bundesverdienstorden und danke ihnen für ihr visionäres, künstlerisches und zutiefst humanistisches Engagement.“

Kai Boysen: „Was als Idee während eines Nachtbereitschaftsdienstes inspiriert durch gesummte Melodien eines Bewohners der Wohngruppe 17 der Evangelischen Stiftung Alsterdorf 1988 begann, ist nach mehr als 37 Jahren weltweit bekannt. Die Zusammenarbeit von Künstlern in den vielfältigsten Bereichen wie Musik, Theater, Film, Tanz, Literatur ist beispielhaft. Die dahinterstehende Haltung hat einen Namen bekommen: Inklusion. Der künstlerische Prozess heißt heute inklusive Kulturarbeit. Möglich wurde dies durch eine besondere hamburg-typische Kulturlandschaft, die diese Entwicklung begünstigte. Unterstützung durch eine Vielzahl von Personen in Institutionen, der Kulturbehörde, der Kulturwirtschaft, die Medien, Veranstaltern, Clubs, Theater, Museen sowie privaten Sponsoren und Stiftungen. Vor allem sind es aber die Künstler, mit und ohne Einschränkungen, die diesen Erfolg möglich gemacht haben. Ihnen soll dieser Preis in Dankbarkeit gewidmet sein.“

Thomas Cold: „Auf professionellen Bühnen und Spielorten präsent zu werden und sich von der damals unvermeidlich zugewiesenen Besonderung zu emanzipieren, nur bei speziellen Kulturveranstaltungen innerhalb des sozialen Kontextes präsent zu sein, war das ehrgeizige Bestreben. Nebenbei den Beweis anzutreten, dass Menschen mit Behinderung und/oder Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung sehr wohl künstlerisches, musikalisches, schauspielerisches Talent und Ausdrucksformen mitbringen und performatives Bühnenhandwerk erlernen und dieses dann auch professionell anwenden können, stellte eine besondere Herausforderung nicht nur im Kulturbetrieb dar. Diese Reise ist noch lange nicht zu Ende und benötigt weiterhin noch viel Unterstützung und Bereitschaft, unter anderem durch Einrichtungen der Behindertenhilfe, durch Bildungsträger, Kultureinrichtungen, Kulturförderung, wenn eine inklusive Gesellschaft in Kunst und Kultur als Zielsetzung angestrebt wird und gelingen soll. Die Künstler und Unterstützter, mit und ohne Einschränkungen, die über die vielen Jahre die erfolgreichen Projekte und Produktionen möglich gemacht haben, Ihnen möchte ich diese Auszeichnung in Dankbarkeit widmen.“

Stefani Burmeister, Vorständin der Evangelischen Stiftung Alsterdorf: „Mit der Auflösung der zentralen Anstaltsstrukturen und der Entwicklung inklusiver Quartiere brach sich auch ein künstlerisches Potential Bahn, das vorher wenig Raum hatte. Kai Boysen und Thomas Cold haben dies in der Evangelischen Stiftung Alsterdorf initiiert und über die Jahrzehnte ein beeindruckendes Netzwerk inklusiver Künstlerinnen und Künstler aufgebaut. Wir gratulieren herzlich zu dieser besonderen Auszeichnung.“ 

Zu Leben und Arbeit von Kai Boysen und Thomas Cold

Geboren und aufgewachsen in Hamburg, arbeiteten Kai Boysen und Thomas Cold 1988 als Sozialarbeiter in der Wohngruppe 17 der Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Im selben Jahr entstand durch Kai Boysen das Bandprojekt „Station 17", in welchem behinderte und nicht-behinderte Menschen gemeinsam Musik machen. Die Band veröffentlichte in immer wechselnden Formationen bisher elf Alben mit Gastauftritten von unter anderem Andreas Dorau, Fettes Brot oder Michael Rother, einem der Kraftwerk-Gründer, Can, DJ Koze oder dem Einstürzende-Neubauten-Mitglied FM Einheit. 

Fasziniert von den darstellerischen Begabungen einiger „Station 17“ Mitglieder entwickelte Thomas Cold 1995 das Theater-Ensemble mit dem Namen „Station17Theater“, später umbenannt in „Meine Damen und Herren“. Nach und nach kamen weitere Projekte hinzu, die von Kai Boysen im Jahr 2000 unter dem Dach „barner 16“ zu einem Netzwerk für professionelle Kulturproduktionen von Menschen mit und ohne Behinderung in den Bereichen Musik, Film und Video, Theater, Tanz und Performance sowie Bildende Kunst zusammengefasst und erweitert wurden. Die Gruppen professionalisierten sich mit den Jahren immer weiter, sie sind mittlerweile nicht nur bundesweit, sondern auch auf internationaler Ebene anerkannt und repräsentieren Hamburgs Kultur. 

Bereits seit ihrer ersten Produktion arbeitete das Theaterkollektiv „Meine Dame und Herren“ mit unterschiedlichen namhaften Regisseurinnen und Regisseuren, Musikerinnen und Musikern sowie Tänzerinnen und Tänzern zusammen und entdeckte damit schon früh eine Offenheit von verschiedenen Genres und Zugängen für eine Vielzahl unterschiedlichster Themenfelder. Schon ihre erste Produktion des „Sommernachtstraums“ in Zusammenarbeit mit Stefan Kurt feierte 1996 auf Kampnagel einen großen Erfolg und ging auf Tour. Dem Theaterensemble „Meine Damen und Herren“ wurde 2022 vom Fonds Darstellende Künste der „George-Tabori-Preis" verliehen. 

Der Ansatz der künstlerischen Arbeit war und ist stets visionär, kreativ und vor allem immer auf Augenhöhe mit den Künstlerinnen und Künstlern mit einer Behinderung – was teilweise in großem Kontrast zu dem in den 1990er Jahren eher defizitorientierten Bild von Behinderung in der Öffentlichkeit stand. Anerkannte Kulturstätten wie zum Beispiel Kampnagel, das Ernst-Deutsch-Theater und das Deutsche Schauspielhaus nahmen schon vor dreißig Jahren die Produktionen in ihre Programme auf. Heute werden die Produktionen auf großen Bühnen präsentiert – ohne das Label „inklusiv“. 

Durch die Initiative von Kai Boysen und Thomas Cold wurden innerhalb der Evangelischen Stiftung Alsterdorf und der alsterarbeit gGmbH ab 2000 sogenannte „Künstlerarbeitsplätze“ in Werkstätten für Menschen mit Behinderung eingerichtet, bei denen die künstlerische Tätigkeit die gesamte Arbeitszeit ausmacht und die künstlerischen Produktionen der Öffentlichkeit zum Beispiel durch Aufführungen zugänglich gemacht werden.

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