Beim diesjährigen „Warschauer Herbst“ (21. bis 28. September 2003), dem bedeutendsten osteuropäischen Festival für Zeitgenössische Musik, tritt der Deutsche Musikrat bereits zum dritten Mal in den kulturpolitischen Dialog mit dem Nachbarland Polen. Er präsentiert dort mit dem Ensemble „musikFabrik“ ein arriviertes deutsches Projekt für Neue Musik. „musikFabrik“ wird Werke von Karin Haußmann, Klaus Hinrich Stahmer, Jaroslaw Mamczarski, Hans Zender und Helmut Zapf spielen.
Gleichzeitig haben sich der Deutsche Musikrat (DMR), sein Präsident Martin Maria Krüger und Festivaldirektor Tadeusz Wielecki ein „Experiment“ einfallen lassen, das jetzt auf einer Pressekonferenz in Warschau vorgestellt wurde: Das junge Warschauer Ensemble „Kwartludium“ wird mit begabten deutschen Musikern in einer „Werkstatt für Neue Musik“ zusammenarbeiten und nach einer mehrtägigen Probenphase ein polnisch-deutsches Partnerkonzert im Rahmen des Festivals geben. Die umfangreichen Vorbereitungen für das Zustandekommen dieses Ensembles seien, so die Initiatoren, erfolgreich gewesen, nachdem sich der Leiter und Mitbegründer der Zeitgenössischen Oper Berlin, Rüdiger Bohn, kurzfristig bereit erklärt habe, dieses Experiment zu wagen und in die Hand zu nehmen. Bohn werde den einwöchigen Workshop leiten und das Konzert am 23. September dirigieren. Das Projekt wird finanziell unterstützt vom Goethe-Institut und dem Auswärtigem Amt.
Neben seinem musikalischen Beitrag zum „Warschauer Herbst“ wird der Deutsche Musikrat während des Festivals, wie auch in den Jahren zuvor, den Dialog mit Musikpersönlichkeiten aus Polen und aus Deutschland suchen, aber diesmal – das ist das Neue – noch internationaler ansetzen und zusätzlich Festivaldirektoren aus dem Baltikum, aus der Slowakei und anderen Ländern einbeziehen. DMR-Präsident Krüger: „Für solch ein Vorhaben ist Warschau als Ost-West-Drehscheibe der beste Platz.“
Der Deutsche Musikrat, so Krüger, schulde dem polnischen Kulturminister Waldemar Dabrowski Dank für die Schirmherrschaft der vom DMR initiierten Veranstaltungen. So werde auf dem „Forum I“ das vom Musikrat entwickelte Projekt „Europäische Musikbürgschaft“ vorgestellt, das zwei wichtige Ziele für den Bereich Neue Musik aufgreife, nämlich die Förderung der Zusammenarbeit der Festivals sowie die Schaffung einer mittelfristigen Finanz- und Planungssicherheit für Festivals. Das Projekt „Europäische Musikbürgschaft“ solle es den Festivals ermöglichen, finanziell längerfristig zu planen, damit mehr Qualität zu entwickeln und schließlich Kosten zu sparen, erkärte DMR-Präsident Krüger auf der Pressekonferenz in Warschau. Zugleich sollten die Musik und die Festivals aus ihrer regionalen Begrenzung befreit und damit europäischer werden.
Ein weiteres DMR-Projekt, das „Forum II“, werde der wichtigen polnischen Forderung nach einer größeren Bedeutung der Kultur und Bildung in der Europäischen Union (EU) gewidmet sein und diese Position unterstützen. Auch der Deutsche Musikrat sei der Auffassung, dass die EU, besonders im Hinblick auf die Integration, Fragen der Bildung und Kultur stärker berücksichtigen solle. Hierfür würde der Musikrat konkrete Vorschläge an die EU erarbeiten.
Das Projekt „Forum III“ werde vor allem vom Deutsch-Französischen Kulturrat getragen, erläuterte Krüger. Hier stehe die Idee des „Weimarer Dreiecks“ im Vordergrund, deren Ziel es sei, die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Polen, Frankreich und Deutschland zu stärken und mit konkreten Projekten auszufüllen.
DMR-Präsident Martin Maria Krüger zog nach drei Jahren der Kooperation und Partnerschaft zwischen dem Deutschen Musikrat und dem „Warschauer Herbst“ eine Zwischenbilanz. Die enge, vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit habe – insbesondere in ihrer Kombination von Musik und Dialog – eine neue, moderne Struktur der Darstellung und Präsentation gefunden. Warschau biete dafür einen günstigen Rahmen, wenn man auf die Qualität und Originalität der Kooperation blicke, die weit über die reine Festivalbeteiligung des Deutschen Musikrates hinausgehe. Ein Beispiel sei das Projekt „Musikjournalist“, in dem junge vielsprachige, sozusagen „europäische“ Musikkritiker heranwüchsen.
Der „Warschauer Herbst“ sei eines der profiliertesten und sicherlich das berühmteste Festival der Neuen Musik im früheren Ostblock, erklärte Krüger. Das verleihe dem Festival eine besondere Kompetenz und Qualifikation. Der politische und wirtschaftliche Systemwandel habe dem Festival finanziell und organisatorisch viel mehr zu schaffen gemacht und mache es immer noch, als „wir uns im Westen das vorstellen können“.
In Warschau und beim „Warschauer Herbst“ entstehe eine Atmosphäre, ein Klima, in dem sich gegenwärtige Ideen und Neuerungen, aber auch Probleme und Zwänge zur Veränderung, die bei der Neuen Musik derzeit so massiv zu beobachten seien, besonders deutlich manifestierten.
Förderer der diesjährigen Kooperation von Deutschem Musikrat und „Warschauer Herbst“ sind die Kulturstiftung der Länder, das Goethe-Institut/Auswärtiges Amt, DaimlerChrysler, die Lufthansa, die GEMA-Stiftung sowie die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL).
Absätze