Das «Opernhaus des Jahres» steht in Essen. Bei der diesjährigen Umfrage der Zeitschrift "Opernwelt" erhielt das Aalto Theater die meisten Stimmen. Mit diesem Votum wird erstmals in seiner zwanzigjährigen Geschichte ein Haus ausgezeichnet, das sich mit kreativer Spielplangestaltung und solider Ensemblearbeit einen Spitzenruf erarbeitet hat. Damit wird nicht zuletzt die kontinuierliche Aufbauleistung des Intendanten und Generalmusikdirektors Stefan Soltesz gewürdigt, der seit 1997 als künstlerischer Kopf, aber auch als Dirigent für beispielhafte Qualitätsstandards sorgte. So überrascht es kaum, dass die Essener Philharmoniker (zum wiederholten Mal) zum "Orchester des Jahres" gewählt wurden. Den zweiten Platz in der Kategorie "Opernhaus des Jahres" teilen sich die Oper Frankfurt und das Theater Basel.
Da liegt es auf der Hand, dass die Essener, Frankfurter und Baseler Opernarbeit auch in anderen Kategorien punktete. Hans Neuenfels und Christof Loy, die "Regisseure des Jahres", setzten hier entscheidende Akzente: Neuenfels mit einer turbulenten "Tannhäuser"-Revue (Essen) und einem bilanzierenden Blick auf Othmar Schoecks «Penthesilea» (Basel), Loy mit einer intimen Analyse von Mozarts "Così fan tutte" (Frankfurt), aber auch mit seiner an der Bayerischen Staatsoper in München realisierten minimalistischen Lesart der "Bassariden" von Hans Werner Henze. Die Baseler "Penthesilea"-Produktion wurde zudem zur "Aufführung des Jahres" gewählt.
Als wichtigste "Wiederentdeckung des Jahres" bewerteten die befragten Kritiker die während des Zweiten Weltkriegs entstandene Oper "Jeanne d’Arc – Szenen aus dem Leben der heiligen Johanna" von Walter Braunfels. Es dauerte mehr als fünfzig Jahre, bis sich mit der Deutschen Oper Berlin ein großes Haus bereit fand, das Werk auf die Bühne zu bringen. Aus der Deutschen Oper kommt auch der "Chor des Jahres" – Anerkennung für die erfolgreiche Arbeit des neuen Chordirektors William Spaulding. Auch die "Uraufführung des Jahres" fand in Berlin statt: Eine große Mehrheit der Kritiker votierte für Hans Werner Henzes "Phaedra" an der Staatsoper Unter den Linden. Auf dem zweiten Platz rangiert ebenfalls ein vom griechischen Mythos beseeltes Werk der gemäßigten Moderne: Harrison Birtwistles "The Minotaur", ein Auftragswerk des Royal Opera House in London.
Als "Ärgernis des Jahres" empfanden die meisten Kritiker einmal mehr die Querelen um eine Neuordnung der Berliner Opernlandschaft. Dabei wurden insbesondere die Leitungskrise an der Staatsoper, die mangelnde Kooperationsbereitschaft zwischen den Häusern, die Machtlosigkeit der Opernstiftung und die Kurzsichtigkeit der Berliner Opernpolitik genannt.
"Sängerin und Sänger des Jahres" sind die Sopranistin Diana Damrau und der Bariton Michael Volle. Damrau wurde vor allem für ihr Gilda-Porträt in Giuseppe Verdis "Rigoletto" an der Sächsischen Staatsoper Dresden sowie für ihre Susanna in Mozarts "Le nozze di Figaro" bei den Salzburger Festspielen nominiert, Michael Volle beeindruckte die Kritiker als Beckmesser in Wagners "Meistersingern" auf dem Bayreuther Festspielhügel, als Pentheus in Henzes "Bassariden" sowie als Tschaikowskys Eugen Onegin an der Bayerischen Staatsoper München.
Für seine Opernarbeit mit dem Mahler Chamber Orchestra, bei der zuletzt Beethovens "Fidelio" im Zentrum stand, wurde Claudio Abbado zum «Dirigent des Jahres» gewählt. "Buch des Jahres" ist der bei Schott erschienene Briefwechsel zwischen Arnold Schönberg und Alban Berg, "DVD des Jahres" die von Arthaus produzierte Walter-Felsenstein-Edition. Als "Bühnenbildner des Jahres" erhielt Johannes Leiacker für sein Bregenzer "Tosca"-Auge die meisten Stimmen, als "Kostümbildnerin des Jahres" einmal mehr Anna Viebrock (für ihre Pariser "Wozzeck"-Ausstattung).
Das Jahrbuch der Zeitschrift "Opernwelt" ist ab 1. Oktober im Handel erhältlich. Neben Beiträgen zu den Ergebnissen der Kritiker-Bilanz enthält es ein ausführliches Gespräch mit dem Dirigenten Nikolaus Harnoncourt über die Opern Mozarts, ein prominent besetztes Podium über "deutsche Musik" sowie eine detaillierte Dokumentation der Spielzeiten 2007/2008 und 2008/2009.
Absätze
Quelle
http://www.opernwelt.de