100 Tage Große Koalition sind auch 100 Tage Bundeskulturpolitik der Union nach der Schaffung des Amtes des Kulturstaatsministers. In der am 1. Mai 2005 erschienenen Ausgabe von politik und kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, rief die damalige Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Dr. Angela Merkel zu einer zweiten Gründerzeit in der Kultur auf. Sie hat diese Aussage in ihrer ersten Regierungserklärung als Bundeskanzlerin am 30.11.2005 dadurch unterstrichen, in dem sie deutlich gemacht hat, dass Kulturförderung eine Investition und keine Subvention ist. Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat in seinem Interview in der Ausgabe Januar/Februar 2006 von politik und kultur hervorgehoben, wie positiv die Ansiedlung des Amtes im Bundeskanzleramt ist und auf seinen „ganz direkten Draht“ zur Bundeskanzlerin verwiesen. Die Erwartungen an eine Bundeskulturpolitik unter der Führung der Union sind entsprechend hoch.

Die Ergebnisse nach den ersten 100 Tagen lassen noch viele Fragen offen. Der Deutsche Kulturrat hat begrüßt, dass innerhalb dieser ersten 100 Tage im Kabinett der Gesetzesentwurf zur Ratifizierung des UNESCO-Übereinkommen zum Kulturgüterschutz verabschiedet wurde. Scharf kritisiert wurde vom Deutschen Kulturrat der vom Bundesjustizministerium vorgelegte Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft. Sprach Kulturstaatsminister Neumann in seiner Rede zur Regierungserklärung am 01.12.2005 noch davon, sich für ein autoren- und künstlerfreundliches Urheberrecht einsetzen zu wollen, so ist der jetzige Referentenentwurf der Bundesjustizministerin davon weit entfernt. Statt einer Gründerzeit für die Kultur wird darin eine Wirtschaftsförderung für die Computerindustrie gegen die Interessen der Künstler betrieben.

Wie ernst es diese Bundesregierung mit der zweiten Gründerzeit für die Kultur nimmt, wird sich bereits Ende dieses Monats bei den GATS-Verhandlungen erweisen. Wahrscheinlich werden die USA von der Europäischen Union eine Liberalisierung des audiovisuellen Bereiches verlangen. Dabei geht es dann nicht nur um die Liberalisierung des Medienbereiches, also Fernsehen und Hörfunk, sondern auch um die Filmbranche und die Musikindustrie. Hier werden der Bundeswirtschaftminister und der Kulturstaatsminister gemeinsam auf europäischer Ebene für den Erhalt der bisherigen Verhandlungslinie, nämlich keinen Forderungen in diesem Bereich nachzugeben, streiten müssen. Der Deutsche Kulturrat erwartet, dass sich die Bundesregierung zum Schutz der Kulturwirtschaft, die vor allem durch kleine und mittelständische Unternehmen geprägt ist, für den Schutz der kulturellen Vielfalt und gegen eine Liberalisierung im Rahmen des GATS-Abkommens einsetzt.

Als wichtiges Vorhaben innerhalb der ersten 100 Tage nannte Kulturstaatsminister Neumann im Interview in politik und kultur die Fusion der Kulturstiftung der Länder und der Kulturstiftung des Bundes. Bislang ist noch nicht bekannt, unter welchen Vorzeichen diese Fusion erfolgen wird. Der Deutsche Kulturrat hat sich stets für die Fusion der Stiftungen eingesetzt, aber auch unterstrichen, dass diese nicht um jeden Preis erfolgen darf. Die Kulturstiftung des Bundes hat bislang ihre Mittel hauptsächlich nach künstlerischen Qualitätskriterien vergeben. Dies hat vielen gerade ungewöhnlichen künstlerischen Projekten die Existenz ermöglicht. Diese Freiheit der Mittelvergabe außerhalb von Proporzdenken muss auch nach der Fusionierung möglich bleiben.

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Eine zweite Gründerzeit für die Kultur zu initiieren, ist ein hochgestecktes Ziel. Dafür ist sicherlich eine ganze Legislaturperiode erforderlich. Die ersten hundert Tage der Bundeskulturpolitik der Union hinterlassen jedoch gemischte Gefühle. Sehr zügig wurden Gesetzesvorhaben, die von der letzten Bundesregierung bereits vorbereitet waren wie die Ratifizierung des UNESCO-Übereinkommens zum Kulturgüterschutz oder das Gesetz zur Deutschen Nationalbibliothek, angepackt. Eigene Akzente und die besagte zweite Gründerzeit, zu der auch eine Aufbruchstimmung gehört, sind bislang noch nicht zu erkennen. Dazu leistet die geplante Föderalismusreform ihren Beitrag, die bei vielen die Frage entstehen lässt, welche Kompetenzen der Bund in der Kultur- und Bildungspolitik noch behält. Die ersten hundert Tage sind für jede Regierung eine Art Schonfrist. Diese neigt sich dem Ende zu. Jetzt wachsen die Erwartungen an die Bundesregierung, durch konkrete Maßnahmen ihr kulturpolitisches Profil zu schärfen.“

Der Leitartikel von Dr. Angela Merkel aus dem Mai 2005 (politik und kultur 3/2005) kann abgerufen werden unter: http://www.kulturrat.de/detail.php?detail=449&rubrik=5

Das Interview mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann in politik und kultur 1/2006 kann abgerufen werden unter: http://www.kulturrat.de/detail.php?detail=689&rubrik=5

Absätze