Ein Instrument zu spielen, stellt höchste Anforderungen an unser Gehirn. Wie genau es die komplexen Koordinationsleistungen meistert, haben Wissenschaftler:innen an den Max-Planck-Instituten für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main (MPIEA) und für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig (MPI CBS) erforscht. In zwei aktuellen Studien zeigen sie, in welcher Hirnregion aus einer musikalischen Idee beim Solospiel eine Fingerbewegung wird, und dass es in Duetten auf die gemeinsame „Wellenlänge“ der Gehirne ankommt. Die Ergebnisse wurden als Open-Access-Artikel in der Fachzeitschrift „Cerebral Cortex“ veröffentlicht.

Beim Klavierspielen planen PianistInnen zwei Dinge parallel: Sie müssen koordinieren, was gespielt wird, also welcher Ton oder Akkord folgen soll, und wie dieser gespielt wird, das heißt, welche Finger genau den Anschlag ausführen. Nun hat ein Team aus ForscherInnen des MPI EA und des MPI CBS untersucht, wo genau diese Planungsschritte im Gehirn stattfinden.

Mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) können Hirnaktivitäten genau lokalisiert werden. Dazu liegen die StudienteilnehmerInnen in einer engen Röhre, die sich in einem starken Magnetfeld befindet – beides Umstände, die eine Untersuchung von PianistInnen beim Klavierspielen scheinbar unmöglich machen. In Kooperation mit der Blüthner Pianofortemanufaktur in Leipzig entwickelten die WissenschaftlerInnen daher ein MRT-kompatibles Klavier mit 27 Tasten, das über eine Lichtleitung die Tastendrücke der TeilnehmerInnen registrierten kann.

Auf diesem Spezialklavier spielten 26 PianistInnen im MRT-Scanner bildlich vorgegebene Akkordfolgen nach. Dabei zeigte sich, dass die beiden Planungsschritte „Was“ und „Wie“ zwei unterschiedliche Hirnnetzwerke aktivieren. Besonders auffällig war, dass beide Netzwerke eine frontale Hirnregion beinhalten, der große Bedeutung bei der Planung sämtlicher Alltagshandlungen zukommt: den linken lateralen Präfrontalkortex.

„Ein besonderes Merkmal dieser Region ist ihr abgestufter Spezialisierungsgrad: Während der vordere Teil eher abstrakte Planungsschritte umsetzt, werden die Abläufe zum hinteren Teil der Region hin immer feingliedriger. Die Planung wird also immer konkreter, es erfolgt eine Übersetzung vom Was zum Wie“, erläutert Erstautorin Roberta Bianco.

Im Fall dieser Studie entspricht dies der Übersetzung einer musikalischen Idee in die Fingerbewegungen auf dem Klavier. Die Wissenschaftler:innen haben damit den Präfrontalkortex als zentrale Schlüsselregion identifiziert, die musikalische Kompositionen und Fingerbewegungen bei einer Solo-Performance koordiniert.

Vom Solo zum Duett

Wenn bei SolistInnen für das Spielen einfacher Akkordsequenzen derart komplexe Hirnvorgänge aktiviert werden, muss gemeinsames Musizieren mit anderen für das Gehirn noch anspruchsvoller sein. Denn die MusikerInnen müssen Planung und Umsetzung der eigenen Stimme zusätzlich mit den Handlungen der anderen abgleichen und anpassen.

Da beides gleichzeitig nicht möglich ist, setzen sie Prioritäten, worauf sie sich beim Spielen stärker konzentrieren – die eigene Stimme oder den Zusammenklang der Instrumente. Um herauszufinden, wie genau diese Koordinationsprozesse zwischen den MusikerInnen ablaufen, haben ForscherInnen des MPI EA und des MPI CBS in einer zweiten Studie die Gehirne von PianistInnen beim Spielen von Duetten untersucht.

„Wenn Menschen ihre Handlungen aufeinander abstimmen, beispielsweise beim gemeinsamen Tanzen oder Singen, synchronisieren sich ihre Hirnwellen“, erklärt Daniela Sammler, Leiterin der Forschungsteams. „Dieses Phänomen wird ‚interbrain synchrony‘ genannt.“

Ein Grund für diese Synchronisation: Die MusikerInnen tun und hören zur gleichen Zeit ähnliche Dinge. Die WissenschaftlerInnen wollten nun herausfinden, ob synchrone Hirnwellen auch die Abstimmungsprozesse zwischen den DuettpartnerInnen widerspiegeln.

Hierzu luden sie paarweise 28 PianistInnen ein, gemeinsam kurze Klavierduette zu spielen. Dabei zeichneten sie die Hirnwellen der MusikerInnen mittels Elektroenzephalographie (EEG) auf. Eine PianistIn spielte die Melodie mit der rechten Hand, die andere die begleitende Bassstimme mit der linken Hand. Alle Stücke enthielten in der Mitte eine musikalische Pause ohne Ton.

Diese Pause nutzte das Forschungsteam für die Untersuchung der Hirnaktivitäten. Den Teil nach der Pause sollten die PianistInnen in einem neuen Tempo spielen – ob schneller oder langsamer als zu Anfang, erfuhren sie jeweils kurz vor dem Stück durch ein Signal. Dabei wurden ihnen jedoch teils gegensätzliche Signale angezeigt.

Erstautorin Katarzyna Gugnowska resümiert: „Diese Manipulation machte tatsächlich einen Unterschied für die Synchronizität der beiden Gehirne in der Pause. Planten beide PianistInnen dasselbe Tempo, war sie hoch. Waren die Tempi verschieden, war sie niedrig. Zudem sagte die Synchronizität der Hirnwellen auch voraus, wie ähnlich das Tempo nach der Pause war.“

Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Synchronisation der Hirnwellen zwischen MusikerInnen nicht nur ein Nebenprodukt ist, das durch gemeinsame Höreindrücke und die Musik selbst ausgelöst wird, sondern tatsächlich ein Mechanismus, durch den sie ihr Spiel miteinander koordinieren. Zusammengenommen stellen die Studien einen wichtigen Beleg für die komplexe Koordinationsleistung zwischen Hirn und Hand sowie zwischen EnsemblespielerInnen beim Musizieren dar.

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