Das sogenannte Branding, also die Kreation einer Marke, hängt nicht zuletzt von der perfekten Präsentation der Produkte ab: Die richtige Umgebung, das perfekte Licht, die Einrichtung, all das spielt eine große Rolle und ist umfassend erforscht. Audiobranding beschreibt die akustische Dimension einer Marke und soll ihre Eigenschaften hörbar machen. Die Auswahl der passenden Musik für eine Marke wird bis heute eher "aus dem Bauch heraus“ entschieden. Dabei wird in der Regel auf Musik aus den U.S.-Charts zurückgegriffen. Eine internationale Forschungskooperation, koordiniert vom Fachgebiet Audiokommunikation von Prof. Dr. Weinzierl an der Technischen Universität Berlin, hat jetzt einen leistungsstarken Algorithmus entwickelt, der markenrelevante Musik automatisch auswählt. Dabei setzt der Algorithmus ausschließlich auf den Audioinhalt der Songs selbst und greift nicht auf manuell zugewiesene Tags und Beschreibungen zurück. Mit dieser Software können Marken und Werbeagenturen automatisch und treffsicher die passende Musik für jede Marke oder Kampagne finden.

"Der ABC_DJ-Empfehlungsalgorithmus sieht die Markenpassung von Musik oder dem wahrgenommenen musikalischen Ausdruck mit einer Genauigkeit von 80,1 Prozent voraus", sagt Dr. Jochen Steffens, Mitarbeiter im ABC_DJ-Projekt am Fachgebiet Audiokommunikation. "Der theoretische Maximalwert von 100 Prozent kann niemals erreicht werden, da Menschen Musik immer leicht unterschiedlich wahrnehmen. Das bedeutet, dass eine 80-prozentige Genauigkeit als sehr hoch anzusehen ist und unser Ergebnis für die Audio-Branding-Branche relevant ist."

Für die Erstellung dieser Empfehlungssoftware wurden die Ergebnisse verschiedener Forschungen verknüpft: Systematisch gesammeltes Audiobranding-Expertenwissen, empirische Ergebnisse aus einem multinationalen Hörexperiment, fortschrittliche Music-Information-Retrieval-Methoden, Text Mining-Algorithmen sowie maschinelles Lernen.

"Grundsätzlich basiert unser Algorithmus auf vier Basis-Faktoren, die wir als emotionale Valenz, emotionale Erregung, Authentizität und Aktualität bezeichnet haben“, beschreibt Jochen Steffens: "Obwohl Menschen ein gegebenes Musikstück möglicherweise auf verschiedene Arten verbal beschreiben, ist es im Allgemeinen möglich, ihre Beschreibungen auf diese vier Faktoren zurückzuführen. Ein gegebenes Stück kann als mehr oder weniger fröhlich (emotionale Valenz), intensiv (emotionale Erregung), authentisch und progressiv beschrieben werden.“

Diese Informationen über den semantischen Ausdruck von Musik wurden unter anderem aus einem über 10.000 Personen umfassenden Hörexperiment in Deutschland, Spanien und Großbritannien gewonnen. Die Stichprobe war hinsichtlich Alter, Land und Bildung ausgewogen, um einen repräsentativen Einblick in die Wahrnehmung des semantischen Ausdrucks von Musik durch unterschiedliche Zielgruppen zu gewährleisten. Der Vorhersage-Algorithmus verwendet dabei die 36 wichtigsten Markenidentitätsmerkmale wie modern, leidenschaftlich, innovativ, glücklich oder vertrauenswürdig.

"Die Ergebnisse von ABC_DJ stellen ein Gegenmodell dar zur ‚One-Sound-Fits-All‘-Formel, die derzeit von vielen Audio-Branding-Unternehmen und Instore-Musik-Anbietern angeboten wird. ABC_DJ schafft nun die Möglichkeit, markengerechte, musikalische Eigenschaften direkt aus Audiosignalen zu extrahieren. Dadurch wird die Bandbreite an Musik, die von Kreativagenturen und Marken genutzt werden kann, erheblich erweitert. Dies wird auch mehr Künstlern und Independent-Plattenlabels zugutekommen“, beschreibt Jochen Steffens.

Das ABC_DJ-Projekt wurde aus dem EU-Programm Horizon 2020 für Forschung und Innovation mit 3,5 Millionen Euro finanziert und umfasst sieben Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus fünf verschiedenen europäischen Ländern. Übergreifendes Ziel des dreijährigen Projekts ist es, europäischen Kreativagenturen, die im Bereich Audio Branding aktiv sind, anspruchsvolle Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, die den gesamten Prozess der Musikgestaltung unterstützen und Audio-Branding-Kampagnen intensiv fördern.