Schwetziger SWR Festspiele  
Foto:  Elmar Witt / Schwetziger SWR Festspiele
Ein Großteil der Deutschen nutzt täglich Radio und Fernsehen und rezipiert somit auch Musikangebote im Rundfunk, jedoch haben Hörfunk und Fernsehen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen an Bedeutung verloren. Das Angebot hat sich im letzten Jahrzehnt durch digitale Kanäle und Plattformen vervielfältigt und sich dabei an immer speziellere Zielgruppen und Bedürfnisse angepasst. Schon heute hat die Musik einen weltweiten Marktplatz, auf dem durch Smartphones und Streamingdiensten jede:r zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort genau das findet, wonach ihm oder ihr gerade ist.

Musik stellt für Rundfunksender – insbesondere für Hörfunksender – eine prominente Kategorie im Programm dar. Mit Recht, denn Musik wird von der Bevölkerung in hohem Maß nachgefragt: Von den 16 Stunden, die wir im Durchschnitt pro Tag nicht schlafen, hören wir in der Regel mehr als fünf Stunden medial vermittelte Musik, einen Großteil davon über Hörfunk und Fernsehen. [1] Rundfunkmusik spielt demnach für die meisten Deutschen eine zentrale Rolle im Alltagsleben, obwohl die Rundfunksender in den letzten fünfzehn Jahren starke Konkurrenz hinsichtlich des medialen Musikangebots bekommen haben: „30 Millionen Lieder. Streaming-Dienste wie Spotify oder Apple Music bieten unbegrenzten Zugriff auf die Songs der Menschheit. Nun können alle alles hören und das jederzeit“, titelte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel bereits 2016. Acht Jahre später ermöglicht Spotify wie auch Amazon unter dem bezeichnenden Titel „Amazon Music Unlimited“ den Zugriff auf 100 Millionen Songs. Allein das Onlinemusikangebot hat spätestens seit der Etablierung der Streamingdienste – darunter das Videoportal YouTube – eine Dimension erreicht, die sich mit deskriptiven Bestands- und Strukturdaten nicht mehr darstellen lässt. Da zudem auch die Rundfunksender selbst vermehrt Musik online bereitstellen, um einen zeit- und ortsunabhängigen Abruf und damit eine zeitgemäße Nutzung vieler Angebote zu ermöglichen, war es mitunter sehr schwierig, analytisch zwischen Rundfunkangeboten im engeren Sinn sowie rundfunkähnlichen Telemedien im weiteren Sinn zu trennen. Die Gesetzgebung in Form des Medienstaatsvertrags hat in diesem Punkt jedoch Klärung herbeigeführt: Unter „Rundfunk“ werden sämtliche lineare, zum zeitgleichen Empfang bestimmte Hörfunk- und Fernsehangebote gefasst und damit auch solche, die nur zu einem bestimmten Zeitpunkt zum zeitgleichen Empfang online, z. B. über zusätzliche Live-Streamingkanäle, bereitgestellt werden. Davon ausgenommen sind also Mediatheken oder Streamingdienste, deren Angebote zeitunabhängig abgerufen werden können und die somit den Telemedien zuzurechnen sind. Hier wird daher die Struktur und Entwicklung solcher Musikangebote beschrieben, die zweifelsfrei dem Rundfunk zuzuordnen sind und die im klassischen Sinne – ob analog oder digital – im Rundfunk gesendet werden.

Rechtlicher Rahmen und Aufgaben des Rundfunks

Die wichtigste Rechtsquelle für den Rundfunk in Deutschland ist zunächst das Grundgesetz: Neben Presse-, Informations- und Meinungsfreiheit wird dort explizit auch Rundfunkfreiheit als ein Grundrecht gewährleistet, auf das sich Rundfunksender – ob öffentlich-rechtlich oder privat – berufen können. Das Grundgesetz ordnet die Kultur und damit auch den Rundfunk den Bundesländern zu: Sie sind also primär für die Gesetzgebung, die Verwaltung und Aufsicht des Rundfunks zuständig. Folglich konkretisieren Landesrundfunkgesetze den verfassungsrechtlichen Rahmen für die öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten; Landesmediengesetze bewerkstelligen dies für die privaten Rundfunkanbieter und regeln beispielsweise Zulassung und Aufsicht durch die Landesmedienanstalten. Länderübergreifende Regeln und Gesetze werden in sogenannte „Staatsverträge“ gefasst, die dann von den beteiligten Bundesländern in Person der Ministerpräsident:innen unterzeichnet und von den Länderparlamenten ratifiziert werden müssen. 1987 wurde nach einer Reihe wegweisender Urteile des Bundesverfassungsgerichts mit dem „Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens“ die duale Rundfunkordnung durch die Bundesländer besiegelt. Seit 1991 erstmals als gesamtdeutscher Staatsvertrag und bis 2020 in Form des 22. Rundfunkänderungsstaatsvertrags regelte er alle Details der Rundfunkordnung und des Rundfunkbetriebs in Deutschland, neben Programm- und Werbevorschriften vor allem die Aufgabenteilung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunksystem. Am 7. November 2020 wurde er durch den Medienstaatsvertrag abgelöst, der vor dem Hintergrund der zunehmenden Medienkonvergenz nicht nur die Aufgaben des Rundfunks, sondern auch die der Telemedien umfassend regelt, darunter Medienplattformen (z. B. Zattoo, MagentaTV), Medienintermediäre (z.B. google) und Video-Sharing-Dienste (z. B. YouTube). [2]

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Foto: Studioaufnahme beim WDR
Studioaufnahme beim WDR  
Foto:  Ines Kaiser  /  WDR

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben danach eine Grundversorgung im Sinne eines Kultur- und Bildungsauftrags zu leisten, d. h. ein vielfältiges, umfassendes und möglichst ausgewogenes mediales Angebot in den Bereichen Information, Bildung, Kultur, aber auch Unterhaltung sicherzustellen und dabei auch regionalen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Um dies technisch, organisatorisch und personell leisten zu können, wird die Finanzierung im Gegenzug durch einen obligatorischen Rundfunkbeitrag (bis 2012: Rundfunkgebühr) sichergestellt, aus dem der öffentlich- rechtliche Rundfunk auch eine Bestands- und Entwicklungsgarantie ableiten kann bzw. die Gewähr, mit technischen und sozio-kulturellen Entwicklungen Schritt halten und ihnen gerecht werden zu können. In sehr eingeschränktem Maß darf sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch über Werbeeinnahmen finanzieren, was angesichts des Umfangs der Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag (pro Jahr über acht Milliarden Euro, wovon die ARD ca. sechs, das ZDF ca. zwei Milliarden und das Deutschlandradio ca. 250 Millionen Euro erhält) mitunter auch kritisch gesehen wird, insbesondere von Interessensvertretungen des Privatrundfunks. Es erscheint aber dann legitim, wenn man als Teil einer umfassenden Grundversorgung auch eine Versorgung mit werbenden Informationen (über Produkte, Dienstleistungen, aber z. B. auch Parteien im Vorfeld von Wahlen) versteht.

Die privaten Sender haben nur einen sogenannten Grundstandard zu erfüllen, d. h. ihr Programmangebot folgt keinem Kultur- und Bildungsauftrag, keinem Vielseitigkeits- und Ausgewogenheitskriterium. Es muss trotzdem gewisse Regeln, beispielsweise mit Blick auf Jugendschutz, Persönlichkeitsrechte und andere verfassungsrechtliche Grundsätze (z. B. die Unantastbarkeit der Würde des Menschen), einhalten. Dies wird durch die Kontrolle externer Gremien bzw. die Landesmedienanstalten, die ebenfalls über den Rundfunkbeitrag finanziert werden, sichergestellt – auch, um Meinungsmacht zu verhindern. Denn während der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch Rundfunkräte mit Vertretern gesellschaftlich relevanter Bereiche und damit auch des Musiklebens (vor allem durch die Landesmusikräte, aber auch z. B. durch Komponistenorganisationen beim BR oder die Landesakademie für musisch-kulturelle Bildung beim SR) in einem demokratischen Sinn aufgestellt ist und dadurch auch gesellschaftlich kontrolliert wird, stehen hinter privaten Rundfunkveranstaltern zumeist ganz spezifische Wirtschafts-, Medien- oder Politikgruppierungen als Gesellschafter. Da sich der private Rundfunk allein über Werbeeinnahmen finanziert, kann sich das Programm komplett am Markt, an Einschaltquoten und lukrativen Zielgruppen orientieren. Pro Jahr nehmen die privaten Fernsehsender über Werbung ca. vier Milliarden Euro, die privaten Radiosender ca. eine halbe Milliarde Euro ein. Trotz Marktorientierung und fehlenden Bildungsauftrags sind jedoch auch die Programme der Privaten durch den Rundfunkstaatsvertrag aufgefordert, zur kulturellen Vielfalt in Deutschland beizutragen – dies kann und sollte zugleich ein zentrales Kriterium bei der Lizenzierung durch die Landesmedienanstalten sein.

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Foto: MDR Kinderchor
MDR Kinderchor  
Foto:  Marco Prosch  /  MDR

Struktur und Programmangebot

Das Angebot an Rundfunkprogrammen – mal mit mehr, mal mit weniger Musikanteil – ist beachtlich, und dies sowohl im öffentlich-rechtlichen wie auch im privaten Rundfunk. Neben den weiter unten beschriebenen Musikanteilen strahlen sowohl öffentliche als auch private Sender Programme aus, in denen in verschiedenen Formen über Musik gesprochen und informiert wird. Dies reicht von Interviews mit Musiker:innen über Berichte zu Konzerten bis hin zu musikhistorischen Themensendungen.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

Die neun Landesrundfunkanstalten (WDR, BR, hr, SR, radiobremen sowie die Mehrländeranstalten NDR, MDR, SWR und rbb) betreiben in der Summe sieben regionale „Dritte“ Fernsehprogramme; gemeinsam bieten sie als Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) „Das Erste“ als nationales Fernsehprogramm an, daneben u. a. den digital empfangbaren Bildungs- und Kulturkanal ARD alpha. Die ARD verantwortet zudem u. a. in Kooperation mit dem ZDF den Kinderkanal KiKA, mit ZDF, ORF und dem Schweizer Fernsehen SRG SSR das Drei-Länder-Kulturprogramm 3sat und mit ZDF und France Télévisions das deutsch-französische Kulturprogramm ARTE. Das ZDF betreibt neben dem Zweiten Deutschen Fernsehprogramm die digitalen Programme ZDFinfo und ZDFneo. Das Programm ZDFkultur zu den Themenbereichen Musik, Darstellende Künste und Filmkultur, das durch Wiederholungen von Musikshow- Klassikern wie „Melodien für Millionen“, „Musik liegt in der Luft“, „Show Palast“ oder der „ZDF-Hitparade“ einen starken Nostalgiecharakter aufwies, wurde 2016 eingestellt.

Je nach Größe und kultureller Heterogenität des Sendegebiets bietet jede Landesrundfunkanstalt außerdem zwischen vier und acht analog empfangbare Hörfunkprogramme in ihrem Sendegebiet an, die mit Blick auf Programminhalte und Hörersegmente unterschiedlich konzipiert sind und dadurch in ihrer Gesamtheit zur Erfüllung des Programmauftrags beitragen. Alle Programme sind digital über DAB und als Live-Stream/Webradio auch bundesweit zu empfangen. Dazu kommen – außer bei hr, rbb und SWR – bis zu vier zusätzliche Hörfunkprogramme pro Landesrundfunkanstalt, die aufgrund der UKW-Frequenzknappheit im regionalen Stammsendegebiet ausschließlich digital über DAB zu empfangen sind. Insgesamt bieten die Landesrundfunkanstalten 69 Hörfunkprogramme an, 14 davon sind ausschließlich digital zu empfangen. Während das ZDF keine eigenen Hörfunkprogramme betreibt, trägt es aber gemeinsam mit der ARD die öffentlich-rechtliche Körperschaft Deutschlandradio mit den drei nationalen Hörfunkprogrammen Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und dem digitalen Jugend-Pop-Programm Deutschlandfunk Nova. Die Deutsche Welle (DW) untersteht als Rundfunkanstalt des Bundesrechts der Rechtsaufsicht durch die Bundesregierung und stellt den Auslandsrundfunk der Bundesrepublik Deutschland dar – mit hohem Informations- und geringem Musikanteil. Die zunehmende trimediale Ausrichtung der Rundfunkanstalten, die der Entwicklung Rechnung trägt, dass verschiedene mediale Ausspielwege von Programminhalten – Hörfunk, Fernsehen und Online – zunehmend konvergieren, macht auch vor den Musikredaktionen dieser Sender nicht Halt, wenn auch große Teile des musikbezogenen Programms nach wie vor medienspezifischen Produktionslogiken folgen müssen.

Im Sinn des Kultur- und Bildungsauftrags gehören zu fast allen Landesrundfunkanstalten eigene Musikensembles. Mit ihren über 20 Klangkörpern, darunter hochrangige Sinfonieorchester, Big Bands, Rundfunk- und Kammerchöre sowie ein Kinderchor (MDR), sind die Landesrundfunkanstalten laut einem Bericht der einstigen Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags zur Kultur in Deutschland weltweit der größte Musikproduzent. Sie tragen mit Kompositionsaufträgen, mitunter an junge und noch wenig etablierte Komponist:innen, sowie mit Aufführungen, Aufnahmen und Sendungen von jährlich über 1.000 Konzerten in allen Regionen Deutschlands – darunter viele Uraufführungen [3] – maßgeblich zur Vielfalt und Entwicklung der internationalen zeitgenössischen Musikszene bei. Sie treten nicht nur als Initiatoren und Träger von Konzertreihen (z. B. musica viva beim BR), sondern auch als Kulturveranstalter und -vermittler im Rahmen von Musikwettbewerben (Internationaler Musikwettbewerb der ARD [4] ), Musikfestivals (Donaueschinger Musiktage, Wittener Tage für neue Kammermusik) oder schulischen Initiativen (Musikvermittlungsprojekt der ARD in Kooperation mit dem Deutschen Musikrat [5] ) in Erscheinung und bringen sich in ihrer Rolle als gewichtiger Kulturförderer beständig in die Kulturpolitik von Bund und Ländern ein.

Foto: Familienkonzert „Orchester-Detektive“
Familienkonzert „Orchester-Detektive“  
Foto:  Micha Neugebauer  /  NDR
Foto: NDR Radiophilharmonie
NDR Radiophilharmonie  
Foto:  Micha Neugebauer  /  NDR
Foto: Kinderkonzert „Käpt'n Kruso“
Kinderkonzert „Käpt'n Kruso“  
Foto:  Micha Neugebauer  /  NDR

Privater Rundfunk

Der private Rundfunk wird im Bereich des Fernsehens vor allem von zwei Konzernen bestimmt: der ProSiebenSat.1 Media SE und der RTL Group SA (zu 76,28 Prozent im Besitz der Bertelsmann SE & Co. KGaA, die zu den 20 größten Medienkonzernen der Welt gehört). Zur ProSiebenSat.1 Media SE mit Sitz in München gehören die nationalen Fernsehsender Sat.1, ProSieben, kabel eins und sixx sowie weitere kleinere Sender. Zur RTL Group SA mit Sitz in Köln zählen zu 100 Prozent der Sender RTL und der Nachrichtensender n-tv, außerdem anteilig die Sender RTL II, Super RTL und VOX. Aus den Spartensendern sind Deluxe Music, MTV und VIVA (bis 2018) als reine Musiksender hervorzuheben. Die Zahl der Sender ist jedoch seit Jahren rückläufig. Ein Hauptgrund dürfte in der Schwierigkeit liegen, dass die Sender aufgrund der geringen Reichweite meist eine negative Erlös-Kosten-Bilanz aufweisen – mit anderen Worten: Viele Programme lassen sich am lokalen Markt nicht ausreichend kapitalisieren – und gerade Kulturprogramm ist in der Regel kostenintensiv. Hervorzuheben sind Sender wie Schlagerparadies oder Klassik Radio, deren Programmangebot schon anhand des Namens zu erkennen ist und die als bundesweite Digital-Sender operieren, aber mitunter auch lokale UKW-Stützfrequenzen nutzen können.

„Musik war seit den Anfängen des Hörfunks in Deutschland ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Baustein in den Rundfunkprogrammen."
Autor
Holger Schramm

Musik in den Hörfunkprogrammen

Musik war seit den Anfängen des Hörfunks in Deutschland ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Baustein in den Rundfunkprogrammen. Am 29. Oktober 1923 wurde mit einem Klassikkonzert aus dem Vox-Haus in Berlin die erste Musiksendung im Hörfunk ausgestrahlt und der sogenannte „Unterhaltungsrundfunk“ begründet, der zum hundertjährigen Jubiläum mit Radiosendungen und Ausstellungen gefeiert wird Die Hörfunksender ließen in den ersten Jahren die Musik von sendereigenen Musikensembles – meist live – spielen. Obwohl diese Praxis zunächst beibehalten wurde – in den nachfolgenden Jahrzehnten sollten sich mit den sendereigenen Sinfonieorchestern gar Ensembles bilden, die sich mit den besten Klangkörpern der Welt messen und entsprechend namhafte Dirigenten verpflichten konnten –, setzten sich die Vorteile der Schallplattenradioprogramme schnell durch (s. dazu auch den Beitrag „Berufsorchester“). Zusammen mit der Entwicklung von Beat- und Popmusik in den 1960er Jahren bewirkte die hohe Nachkriegsgeburtenrate eine große Nachfrage jugendlicher Radiohörer:innen nach Sendern wie Radio Luxemburg. So wurde schließlich in den 1970er Jahren – mit beachtlichem zeitlichem Verzug – auch in Deutschland die programmliche Entwicklung jugendorientierter und poplastiger Programme wie SWF 3 vorangetrieben. Die sogenannten Servicewellen der Siebziger boten ein durchhörbares Programm mit einem klar definierten und in der Regel am Mainstream orientierten Musikspektrum an. Die Wortbeiträge wurden zu festen Zeitpunkten einer Sendestunde mit maximal drei Minuten Länge gesendet, sodass den Hörer:innen ein einfaches und verlässliches Programmschema geboten wurde.

In der deutschen Radiolandschaft wurden ab Mitte der 1980er Jahre drei Typen von Hörfunkprogrammen unterschieden:

  1. Informations-, News- und Talk-basierte Programme,
  2. Full-Service-Programme (z. B. „Middle of the Road“ bzw. MOR) und
  3. die musikbasierten Programmtypen, die sich im Vergleich zu den zwei erstgenannten am weitesten ausdifferenziert haben.

Bei der Konzeption von Musikprogrammen werden folgende drei Aspekte herangezogen:

  1. die Musikfarbe bzw. das Musikgenre,
  2. die Zielgruppe (meist in Form von Altersspannen, hin und wieder auch in Form von Einkommen, Bildung und kulturellem Background) und
  3. der Moderationsstil, die Präsentationsform sowie mitunter die klangliche Gesamtanmutung.

Die wichtigsten musikbasierten Programmtypen in der deutschen Hörfunklandschaft sind im Folgenden aufgeführt, jeweils – wenn möglich – mit Beispielen von privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern (vgl. Abbildung 1).

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Foto: Wolfgang Niedecken
Wolfgang Niedecken, Sänger der Band BAP, als Moderator im WDR-Hörfunk  
Foto:  Herby Sachs  /  WDR

Der Musikanteil bei den Musikprogrammen liegt im Schnitt bei ca. 70 Prozent, wobei der exakte Musikanteil und der Anteil der einzelnen Musikgenres am Gesamtprogramm schwierig zu ermitteln ist, weil die Grenze von Sendungen mit und ohne Musik zunehmend verschwimmt und die Sender jeweils eigene Maßstäbe und Kriterien für die Einteilung von Programmkategorien und Musikgenres festlegen. [6] Bei privaten Hörfunksendern ist der Musikanteil im Durchschnitt höher als bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, was aber auch daran liegt, dass die öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten neben AC-, CHR- und Melodieradio-Wellen auch die informationslastigeren Kulturprogramme und – ganz entscheidend – reine Informations- und Nachrichtenwellen im Portfolio haben. So ergibt sich bei den öffentlich-rechtlichen Sendern über alle Wellen hinweg ein Musikanteil von durchschnittlich 63 Prozent (beim Deutschlandradio mit seinem Informations- und Nachrichten-„Flaggschiff“ Deutschlandfunk von 28 Prozent). 26 Prozent des Gesamtprogramm entfällt davon – seit Jahren unverändert – auf Pop- und Rockmusik, 17,8 Prozent auf die sogenannte Unterhaltungsmusik (Schlager, Evergreens, Operettenmelodien, Volksmusik) – Tendenz steigend – und nur 9,9 Prozent auf die klassische Musik – Tendenz fallend (vgl. Abbildung 2). Ein Blick auf Analysen des Deutschen Rundfunkarchivs für die Jahre 2016 bis 2018 (seit 2019 ist das Deutsche Rundfunkarchiv damit nicht mehr betraut; eine Statistik für digitale Wellen wird seitdem nicht mehr herausgegeben) zeigt deutlich, dass viele Rundfunkanstalten durch ihre digitalen Wellen die tägliche Sendeleistung an Pop- und Rockmusik massiv erhöhten, manche sogar nahezu verdoppelten. Etwas anders ist dies bei der Unterhaltungsmusik, die auf den digitalen Wellen einiger Anstalten gar nicht gesendet wird, dagegen bei Anstalten wie dem BR, der große Teile seiner Unterhaltungsmusik in den digitalen Bereich auf Wellen wie BR Heimat (Volksmusik) und BR Schlager (Schlager und Evergreens) verschoben hat, sogar eine überragende Rolle spielt. Die klassische Musik findet beim überwiegenden Teil der Landesrundfunkanstalten im digitalen Programm nicht statt. Eine Ausnahme ist hier der MDR mit seiner Digital-Welle MDR Klassik. [7]

Abbildung 1
Differenzierung von Musikprogrammen im Hörfunk
Abbildung: Tabelle

Im Zuge der Diskussion um kulturelle und musikalische Vielfalt in den Hörfunkprogrammen und vor dem Hintergrund, dass in vielen europäischen Ländern eine Quotenregelung für einheimische Musik existiert, stellt sich auch hierzulande seit Jahren immer wieder die Frage, welchen Anteil deutschsprachige Musik oder zumindest von deutschen Autor:innen und Komponist:innen kreierte Musik in den Hörfunkprogrammen haben sollte und welche Effekte dies zeitigen würde. [8] Nicht zu übersehen und zu überhören ist, dass deutschsprachige Musik aktuell in den Charts und den Programmen der reichweitenstarken Sender prominent vertreten ist.

Abbildung 2
Musik und Wort in den ARD Hörfunkprogrammen
Abbildung: Diagramme Musik- und Wortanteile am Gesamtprogramm

Musik-Marktforschung der Hörfunksender

Im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Radiosendern sind private Radiosender komplett auf Werbeeinnahmen angewiesen. Und je höher die Einschaltquoten und Reichweiten von Radioprogrammen, desto mehr Werbeerlöse lassen sich erwirtschaften. Es ist also nicht verwunderlich, dass die meisten Privatradiosender auf ein AC-Programm setzen und aktuelle Hits sowie die Superhits der letzten 30 Jahre spielen. Dies ist die Musikmischung, die den 14- bis 49-Jährigen, also der werberelevanten Zielgruppe, am besten gefällt. Da ein 14-Jähriger jedoch in der Regel nicht den gleichen Musikgeschmack hat wie eine 49-Jährige, ist es nicht leicht, Musikprogramme zu entwickeln, die von einem möglichst großen Personenkreis positiv bewertet und in der Folge regelmäßig genutzt werden. Dennoch wird versucht, dies auf der Basis von Musik-Marktforschung umzusetzen. Ermittelt wird, welche Musik von welchen Personen akzeptiert wird (daher auch „Akzeptanzforschung“ genannt); das Ergebnis ist neben der Expertise der Musikredakteure der wichtigste Faktor für die Entscheidung, welche Musiktitel gespielt werden bzw. auf die sogenannte „Playlist“ kommen. [9] Diese umfasst alle Titel, die der Sender in sein Programm integrieren möchte – unabhängig davon, ob sie häufig (bis zu mehrmals täglich) oder selten (etwa nur zwei- oder dreimal im Jahr) gespielt werden. Die Playlist stellt das Musikrepertoire eines Radioprogramms dar und umfasst bei AC-Sendern nur noch selten mehr als 1.000 Titel, in der Regel nur zwischen 200 und 500. Der Trend geht dabei zu noch kleineren Playlists – vor allem bei den CHR-Sendern, welche die „Top-40“-Idee oft sehr wörtlich nehmen.

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Foto: Serie „Babylon Berlin“
Der Titelsong der Serie „Babylon Berlin“ wurde auch im Radio und Internet millionenfach gehört  
Foto:  Frédéric Batier  /  ARD Degeto/X-Filme/Beta Film/Sky Deutschland

Insbesondere zwei Testverfahren kommen in der Musik-Marktforschung zur Anwendung: Call-Outs stellen die zentrale Planungsbasis für das Musikprogramm dar. Dabei werden wöchentlich oder zumindest alle zwei Wochen ca. 50 Hooks (markanter Ausschnitt eines Titels mit einer Länge von ca. acht bis zwölf Sekunden und mit dem vermeintlich höchsten Wiedererkennungswert) von bis zu 200 zufällig ausgewählten Personen der Zielgruppe bewertet. Jeder Titel wird auf mehrere Kriterien hin beurteilt. In der Regel handelt es sich um die drei Aspekte Bekanntheit („Haben Sie diesen Titel schon einmal gehört?“), Gefallen („Wie gefällt Ihnen dieser Titel?“) und Sättigung („Würden Sie diesen Musiktitel in Ihrem meistgehörten Radioprogramm gerne häufiger hören?“). Bei den Call-Outs werden insbesondere solche Titel getestet, die sehr häufig im Radio gespielt werden, sich also in einer hohen Rotationsstufe befinden und bei denen Sättigungstendenzen wahrscheinlicher sind. Titel können so bei bestimmten Kennwerten zeitnah in das Programm aufgenommen oder ausgeschlossen werden.

Auditorium-Tests hingegen sind aufwändiger, kostenintensiver und werden deshalb nur ein- bis zweimal pro Jahr von den Radiosendern finanziert. Eine Gruppe von bis zu 500 Personen der Zielgruppe wird in ein Hotel, einen Kino- oder Hörsaal eingeladen. Dort bekommen sie mehrere hundert Hooks (in Einzelfällen sogar bis zu 1.000 Hooks) vorgespielt und müssen Bewertungen anhand der oben genannten drei Kriterien vornehmen. Die Auditorium-Tests eignen sich zum Testen großer Teile der Playlist, also auch derjenigen Titel, die sich nicht in der höchsten Rotationsstufe befinden.

Die Testergebnisse werden in zielgruppenspezifische Ranglisten bzw. soziodemografische Splittings überführt, aus denen leicht abzulesen ist, welcher Titel bei welchen Hörer:innen gut oder weniger gut abschneidet. Das Maß, in dem die gewonnenen Ergebnisse in die Programmgestaltung einfließen, variiert von Sender zu Sender. Programmmacher:innen von Kultursendern benutzen die Marktforschung in der Regel gar nicht. Sie bauen vor allem auf die Expertise und Erfahrung ihrer Musikredakteur:innen. Sowohl private wie öffentlich-rechtliche Sender verwenden für ihre reichweitenstarken Programme im AC- und CHR-Bereich neben dieser Art der Marktforschung zunehmend auch Daten aus der Online-Marktforschung sowie aus Daten, die sie über eigene Online-Rückkanäle bzw. die eigene Webpräsenz einsammeln. Während bis vor wenigen Jahren die Daten aus der Marktforschung über alle Sender hinweg noch wichtiger als die Einschätzung der Musikredaktion für die Musikprogrammgestaltung war, hat sich dies in den letzten Jahren umgekehrt: Der Führungsrang geht mittlerweile eindeutig an die Musikredaktionen – und dies, weil insbesondere die privaten Sender im Vergleich zu früheren Jahren den Musikredaktionen eine stärkere Position einräumen. Dies kann jedoch auch finanzielle Gründe haben, denn Marktforschung ist ein entscheidender Kostenfaktor, den es bei schwindenden Werbeeinnahmen aufgrund schwindender Reichweiten der Sender zu reduzieren oder zumindest zu hinterfragen gilt. [10]

Musikangebot über Webradios

Seit Mitte der 1990er Jahre sind zahllose Musikradiosender und -programme im Internet dazu gekommen. Die Vorteile des Internets als Radiomedium liegen klar auf der Hand: Es bietet unbegrenzten Raum und hat nicht mit Frequenzknappheit zu kämpfen. Ein Radiosender im Internet bedarf keiner großen Investition und keiner Lizenzierung, sodass die Markteintrittsbarrieren für Programmmacher sehr niedrig sind. Mit geringen Kosten bedarf es außerdem nur geringer Erlöse, um rentabel zu bleiben. Insofern benötigen die Anbieter keine großen Reichweiten und können mit Sparten- und Special-Interest-Angeboten auch sehr kleine Zielgruppen anvisieren.

In Deutschland waren es im Jahr 1994 die Deutsche Welle und ein Jahr später B 5 aktuell, der Informationssender des Bayerischen Rundfunks, die mit ihrem terrestrischen Radioprogramm als erste online gingen. DSL und Flatrate haben die Entwicklung von Internetradios in Deutschland begünstigt, deren Klangqualität aufgrund der hohen Übertragungsleistung annähernd CD-Standard erreicht und damit die Qualität der terrestrischen Sender übertrifft. Smartphone, Laptop oder internetfähige Radios ermöglichen den mobilen Empfang jederzeit und an jedem Ort.

Folgende Angebotsformen haben sich etabliert, wobei nur die erste Form dem Rundfunk zuzurechnen ist:

  1. Livestream (das Programm wird zu einem bestimmten Zeitpunkt im Stream gesendet; alle Hörer:innen hören zu einer bestimmten Zeit dasselbe),
  2. On-Demand-Streaming (Programme können individuell zu jedem Zeitpunkt über Streaming abgerufen werden; die Hörer:innen hören zu einer bestimmten Zeit nicht dasselbe),
  3. Podcasting (Programme in Form von Audiodateien werden über einen Web-Feed bezogen und auf dem Endgerät, z. B. Smartphone, iPod oder Laptop, gespeichert).

Von Internetradios, deren Programm eins zu eins auch terrestrisch über UKW oder DAB zu hören ist (Simulcast-Webradios), lassen sich die „reinen“ Internetradios (Online-Only-Webradios) unterscheiden. Aggregatoren (z. B. liveradio.de) bündeln und strukturieren wiederum dieses große Angebot an Internetradios, stellen aber keine eigenen Programme zur Verfügung. Musikportale arbeiten ähnlich, sind aber meist heterogener und bündeln nicht nur Internetradios, sondern alle möglichen Musikangebote. Hervorzuheben sind Streamingdienste wie Apple Music oder Spotify, die darüber hinaus eigene, von Redakteuren zusammengestellte und betreute Musikprogramme anbieten. Die Online-Only-Webradios werden zunehmend auch in Form von User-Generated-Radio-Streams befüttert. Hier können einzelne User ihr individuell zusammengestelltes Musikprogramm anderen zum Abruf anbieten und sich so eine regelrechte Fan-Base aufbauen. Im Ergebnis sind die Angebote mitunter sehr speziell, Musiknischen und kleinste Zielgruppen können adressiert werden. Radiohörer:innen können damit heute zeitsouverän und ortsunabhängig bzw. jederzeit und überall gezielt das Musikprogramm hören, das ihrem aktuellen individuellen Bedürfnis am besten entspricht.

Musik in den Fernsehprogrammen

Musiksendungen zählen seit der Gründung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in den 1950er Jahren zum festen Programminventar. Unvergessen sind Kultsendungen wie der „Beat-Club“ (1965–1972), „Disco“ (1971–1982), „ZDF-Hitparade“ (1969–2000) und die Sendung „Formel Eins“ (1983–1990), in der bereits vier Jahre vor dem Start von MTV Europe (1987) und zehn Jahre vor dem Start von VIVA in Deutschland (1993) Musikvideoclips zu bestaunen waren. Unvergessen sind für viele Deutsche auch die großen Samstagabendshows wie „Anneliese Rothenberger gibt sich die Ehre“ (1971–1981), „Ein Kessel Buntes“ (1972–1992), „Musik ist Trumpf“ (1975–1981), „Musikantenstadl“ (1983– 2015), das „ARD-Wunschkonzert“ (1984–1998) oder „Melodien für Millionen“ (1985–2007). Die Übertragung des „Eurovision Song Contests“ oder „Die Helene-Fischer-Show“ am ersten Weihnachtstag gehören – gemessen an Einschaltquoten und gesellschaftlicher Anschlusskommunikation – alljährlich zu den Fernsehhighlights vieler Deutscher. Die mehrmals jährlich stattfindenden Feste der Volksmusik und die wöchentlich ausgestrahlten Musikcastingshows („The Voice of Germany“, „Deutschland sucht den Superstar“) finden ebenso nach wie vor ihr treues Millionenpublikum. [11]

Mit Blick auf Fernsehangebote, bei denen die Musik im Mittelpunkt steht und die folglich unzweifelhaft den Musiksendungen zuzuschreiben wären, können folgende Programmkategorien unterschieden werden:

  • Konzertübertragung (z. B. Opern, Festspiele, Live Aid),
  • Musikshow, Wunschkonzert (z. B. „Musikantenstadl“),
  • Hitparade, Chart-Show (z. B. „ZDF-Hitparade“, „Die ultimative Chart-Show“), Nostalgieshow (z. B. Die 70er / 80er /90er Show),
  • Musikfilm (z. B. „Comedian Harmonists“),
  • Musikquiz (z. B. „Erkennen Sie die Melodie?“),
  • Musikwettbewerb (z. B. „Eurovision Song Contest“),
  • Musikcastingshow (z. B. „The Voice of Germany“).

Daneben gibt es zahlreiche Programme, bei denen Musik zwar prominent, vordergründig und über große Teile der Sendung zu hören ist, bei denen aber beispielsweise Tanzwettbewerbe („Let’s Dance“, „Got to Dance“) oder andere Show- und Unterhaltungselemente im Fokus stehen können und die meistens in Sendestatistiken schon nicht mehr unter „Musik“, sondern unter „Unterhaltung“ geführt werden.

Definitiv nicht unter „Musik“ geführt werden in den Statistiken Filme, Serien, Gameshows, Quizsendungen, Dokumentationen und Werbespots, obwohl Musik hier zu großen Teilen funktional im Hintergrund läuft und auf diese Weise maßgeblich nicht nur zur Ausgestaltung des Programmangebots, sondern auch zum Rezeptionserlebnis und damit zum täglichen Musikkonsum beiträgt. Allein 90 Prozent der Werbespots verwenden mittlerweile Musik. [12]

 

Foto: Schwetzinger SWR Festspiele
Foto:  Elmar Witt  /  Schwetzinger SWR Festspiele
Foto: Schwetzinger Festspiele
SWR und ARTE übertragen die Konzerte bei den Schwetzigeer Festspielen im Radio, Fernsehen und Internet.  
Foto:  Elmar Witt  /  Schwetziger SWR Festspiele
Foto: Schwetziger SWR Festspiele
Foto:  Elmar Witt  /  Schwetzinger SWR Festspiele

Mit den üblichen Sendeleistungsstatistiken wird also der Stellenwert der Musik im Rundfunk massiv unterschätzt; der Sendeanteil liegt bei den meisten öffentlich-rechtlichen Sendern nur bei unter einem Prozent. Führend ist hier der WDR bereits mit einem Anteil von 1,4 Prozent. Dieser Anteil von Musik im Programm des WDR macht allein mehr als ein Drittel der Musik-Gesamtsendeleistung aller öffentlich-rechtlichen Sendern von insgesamt etwas mehr als 28.000 Minuten pro Jahr aus, was aber nur 0,6 Prozent der gesamten Sendezeit entspricht.

Das ZDF unterscheidet innerhalb der Kategorie „Konzert- und Bühnendarbietungen“ nicht zwischen Konzert, Musiktheater, Schauspiel, Kleinkunst, Kabarett und Varieté und subsumiert viele Musiksendungen unter der Kategorie „Unterhaltung“, sodass Musiksendungen sogar nur einen angeblichen Anteil von 0,3 Prozent besitzen. 3sat als Kultursender differenziert zumindest zwischen Musiktheater, Musikshows und Konzerten und kommt über alle drei Kategorien hinweg auf einen Sendeanteil von 3,3 Prozent – Tendenz in den letzten Jahren jedoch fallend. Bei ARTE erreicht die Musik, wie eine Sonderauswertung der Kategorien Oper, Klassikkonzerte, Popkonzerte, Maestro, Musica und Performing Arts (Konzerte, Show, Zirkus und Ballett) für das Deutsche Musikinformationszentrum (miz) zeigt, immerhin einen Sendeanteil von 4,6 Prozent (vgl. Abbildung 4), was knapp 24.000 Sendeminuten entspricht, wovon circa die Hälfte von ARTE Deutschland eingebracht wurde. Auch hier wird der Stellenwert von Musik jedoch unterschätzt, da einige Musiksendungen in den Bereichen „Dokumentation“ bzw. „Kultur“ erfasst sind. Und statistisch ebenfalls nicht berücksichtigt ist das Online-Musikangebot ARTE Concert (concert.arte.tv), das allein jährlich mehr als 900 Aufführungen und Konzerte zeigt, davon ca. die Hälfte im Livestream.

Abbildung 3
Musiksendungen in den Fernsehprogrammen der ARD
Abbildung: Sendeanteile Musik in den Fernsehprogrammen der ARD 2021
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Eine Besonderheit stellen nach wie vor die reinen Musikspartensender wie MTV oder Deluxe Music dar. Ihr Programm besteht größtenteils aus Musikvideoclips und somit unzweifelhaft aus Musiksendungen. Sie machen also einen nicht unerheblichen Anteil am Gesamtmusikangebot im Fernsehen aus, werden jedoch kaum noch genutzt. Während MTV und VIVA in den 1990er Jahren noch das tagesbegleitende „visuelle Radio“ vieler Jugendlicher waren und selbst im Jahr 2006 – also direkt vor dem Smartphonezeitalter – noch auf stolze 2,2 bis 2,3 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 29-Jährigen kamen, stellte MTV Germany im Jahr 2011 den herkömmlichen Betrieb ein und war von da an bis Ende 2017 nur noch im Pay-TV zu empfangen. Inzwischen ist das Programm wieder im Free-TV sowie als Livestream über die Homepage und für die MTV Play App zugänglich. [13] VIVA, obwohl durchgehend im Free-TV zu empfangen, musste sich in den 2010er Jahren die Sendezeit auf den zugewiesenen Kanälen immer wieder mit wechselnden Sendern wie Nickelodeon und Comedy Central teilen, lief daher nur noch zwölf Stunden am Tag und wurde zum Jahresende 2018 nach 25 Jahren Sendebetrieb eingestellt.

Abbildung 4
Musiksendungen in den Programmen ZDF, 3sat und ARTE
Tabelle: Sendezeit Musik in den Programmen ZDF, 3sat und ARTE
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Ausblick

Obwohl Rundfunkangebote bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den letzten zehn Jahren an Bedeutung verloren haben, nutzen an einem durchschnittlichen Tag weiterhin 64 Prozent der Deutschen das laufende Fernseh- und 68 Prozent das laufende Radioprogramm und rezipieren somit unweigerlich auch Musikangebote im Rundfunk. [14] Diese Zahlen sind vor allem auf die ältere Hälfte der Bevölkerung zurückzuführen, die in den 1950er bis 1980er Jahren mit analogen Medien sozialisiert wurde und ihre Mediennutzung weitestgehend beibehalten hat. Andererseits hat sich das Angebot von Musik im Rundfunk im letzten Jahrzehnt durch digitale Kanäle und Plattformen vervielfältigt und sich dabei an immer speziellere Zielgruppen und Bedürfnisse angepasst. Rundfunksender stellen den Großteil ihres vielfältigen Angebots mittlerweile über Mediatheken zeitunabhängig zum Empfang bereit und werden damit zu Telemedien-Anbietern, die mit internationalen Streamingplattformen wie Netflix, Amazon Prime, Spotify oder YouTube um die Gunst der Mediennutzer:innen konkurrieren. Damit hat die Musik im Prinzip einen weltweiten Marktplatz, auf dem durch Smartphones und Streamingdiensten jede:r zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort genau das findet, wonach ihm oder ihr gerade ist. Mehr Flexibilität und Individualität sind momentan kaum vorstellbar. Ebenso wenig, dass sich die Menschen in Zukunft mit weniger zufriedengeben werden.

Verbunden mit dieser Entwicklung sind Fragen nach der Zukunft des Rundfunks: Privaten Sendern brechen die angestammten Werbeeinnahmen für ihre Rundfunkangebote sukzessive weg, da das laufende bzw. lineare Live-Fernseh- und Radioprogramm immer weniger Menschen rezipieren. Sie müssen daher alternative Erlösquellen aus ihren Telemedienangeboten generieren bzw. beide Angebotsformen zusammen vermarkten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat aufgrund des Rundfunkbeitrags kein Finanzierungsproblem, dafür aber ein Akzeptanzproblem. Wenn so viele Menschen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zunehmend gar nicht mehr in Anspruch nehmen, so das häufig vorgetragene Argument von Kritiker:innen des Rundfunkbeitrags in seiner derzeitigen Form und Höhe, dann sollte auch über eine potenziell zu reduzierende Angebotsbreite und -tiefe sowie über eine stärkere Aufgabenteilung der öffentlich-rechtlichen Sender diskutiert werden. Hier steht zu befürchten, dass verschiedene Kultursparten und damit auch die Musik in ihren verschiedenen Darbietungsformen zulasten einer breiten und am Mainstream orientierten Kulturberichterstattung weichen, dass die Kosten für Kulturprogramme im Allgemeinen und die Klangkörper der Sendeanstalten im Besonderen reduziert werden oder dass möglicherweise ganze Rundfunkanstalten aufgelöst bzw. mit anderen Sendern fusioniert werden könnten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk befindet sich seit Jahren genau in dieser Diskussion – mit der Politik, mit der Gesellschaft und mit sich selbst. Der Ausgang ist ungewiss, gewiss ist aber, dass mit der Vielfalt der Rundfunklandschaft auch die Vielfalt der Musik in diesem Land fällt. Diese zu bewahren und zu sichern, war bisher eine der vornehmsten Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Über den Autor

Holger Schramm ist Professor für Medien- und Wirtschaftskommunikation am Institut Mensch-Computer-Medien der Universität Würzburg. Er forscht und lehrt u. a. zum Thema Musik und Medien.
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Fußnoten

  1. Vgl. auch Holger Schramm [u. a.]: Medien und Musik, Wiesbaden 2017, hier S. 2 -5.
  2. Für eine Dokumentation der aktuellen rundfunkrechtlichen Staatsverträge inkl. Medienstaatsvertrag, ARD-Staatsvertrag, ZDF-Staatsvertrag, Deutschlandradio-Staatsvertrag, Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag, Rundfunkbeitragsstaatsvertrag und Jugendmedienschutz-Staatsvertrag vgl. Media Perspektiven Dokumentation I / 2024. Online unter: https://www.ard-media.de/fileadmin/user_upload/media-perspektiven/Dokumentation/4._MAEStV_MP_Dok_2024_I.pdf (Zugriff: 05. Februar 2024).
  3. Vgl. Bericht über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Landesrundfunkanstalten, April 2004, S. 45. Online unter https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP13/Drucksachen/3000/13_3141_D.pdf (Zugriff: 13. November 2018).
  4. Der Internationale Musikwettbewerb der ARD, veranstaltet seit 1952 und inzwischen ausgerichtet vom BR, ist einer der renommiertesten und größten Wettbewerbe für klassische Musik weltweit. Zahlreiche heute weltberühmte Künstler:innen wurden durch ihn gefördert. Jährlich treten etwa 200 Musiker:innen aus etwa 35 bis 40 Ländern und fünf Kontinenten in vier jährlich wechselnden Kategorien an.
  5. Alle zwei Jahre sind bundesweit Schüler:innen ab der fünften Klasse aufgerufen, im Musikunterricht eigene Stücke zu komponieren – inspiriert von der Musik eines Komponisten (2014: Dvořák, 2016: Vivaldi, 2018: Händel, 2020: Beethoven, 2023: Ligeti). Die Landesrundfunkanstalten unterstützen das Projekt mit kostenfreien Unterrichtsmaterialien, Video-Tutorials und einer speziellen Komponier-Software. Die besten Werke werden in einem Abschlusskonzert aufgeführt, das in allen Kulturwellen der Landesrundfunkanstalten, den Dritten Fernsehprogrammen sowie als Video-Livestream im Netz übertragen wird.
  6. Vgl. Wolfgang Gushurst: Popmusik im Radio. Musik-Programmgestaltung und Analysen des Tagesprogramms der deutschen Servicewellen 1975–1995, Baden-Baden 2000, S. 231.
  7. Seit 2017 bündelt der MDR unter der Marke MDR Klassik seine Klassikaktivitäten in den Bereichen Hörfunk, Online und Social Media. Zur Marke gehören auch die Klangkörper MDR-Sinfonieorchester, MDR-Rundfunkchor und MDR-Kinderchor sowie das Festival MDR Musiksommer und das Musiklabel MDR Klassik.
  8. Im Überblick vgl. hierzu bereits Klaus Goldhammer [u. a.]: Musikquoten im europäischen Radiomarkt. Quotenregelungen und ihre kommerziellen Effekte, München 2005.
  9. Vgl. Holger Schramm [u. a.]: Wie kommt die Musik ins Radio? Stand und Stellenwert der Musikforschung bei deutschen Radiosendern, in: Medien & Kommunikationswissenschaft, 2002, S. 227-246.
  10. Vgl. Holger Schramm, Fabian Mayer: Wandel der Musikprogrammierung im Radio? Stand und Stellenwert der musikbezogenen Marktforschung bei deutschen Radiosendern 2021, in: Medien & Kommunikationswissenschaft, 2023, S. 112-129.
  11. Zur Historie von Musiksendungen im Fernsehen s. Irving Benoît Wolther: Musikformate im Fernsehen, in: Holger Schramm (Hrsg.): Handbuch Musik und Medien. Interdisziplinärer Überblick über die Mediengeschichte der Musik, 2. Aufl., Wiesbaden 2019, S. 123-155.
  12. Für einen historischen Überblick über Musik in der Werbung s. Benedikt Spangardt [u. a.]: Musik in der Werbung, in: Schramm, Handbuch Musik und Medien, S. 187-212.
  13. Zu Musikfernsehsendern vgl. Daniel Klug, Axel Schmidt: Musikfernsehsender, in: Schramm, Handbuch Musik und Medien, S. 157-185.
  14. Vgl. Thomas Kupferschmitt, Thorsten Müller: ARD/ZDF-Massenkommunikation Trends 2023: Mediennutzung im Intermediavergleich, in: Media Perspektiven, 21/2023, S. 1-20..